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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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dies wurde in verschiedenen Sprachen gesprochen, die Curwen alle beherrschte, und ständig war seine schnarrende Stimme zu hören, wenn er antwortete, schimpfte oder drohte.
    Manchmal schien es, als hielten sich mehrere Personen in dem Haus auf: Curwen, einige der Gefangenen und deren Wächter. Weeden und Smith hörten Sprachen, die sie nie zuvor vernommen hatten, obwohl sie schon in vielen fremden Ländern gewesen waren, und einige, die sie anscheinend der einen oder anderen Nationalität zuordnen konnten. Bei den Gesprächen schien es sich offenbar immer um Verhöre zu handeln, als entreiße Curwen seinen entsetzten oder sich widersetzenden Gefangenen irgendwelche Informationen.
    Weeden hielt viele der aufgeschnappten Gesprächsfetzen wortwörtlich in seinem Notizbuch fest, da einige Sprachen, die er beherrschte – Englisch, Französisch und Spanisch – häufiger benutzt wurden, doch diese Aufzeichnungen sind nicht erhalten geblieben. Er sagte jedoch, dass, abgesehen von einigen makaberen Dialogen, die sich mit der Vergangenheit von Familien aus Providence beschäftigten, die meisten Fragen und Antworten, die er verstand, von historischer oder wissenschaftlicher Natur waren. Zuweilen bezogen sie sich auch auf weit entfernte Orte und Zeiten.
    Einmal zum Beispiel wurde eine mal tobende, dann grimmige Person auf Französisch über das Massaker des Schwarzen Prinzen in Limoges im Jahre 1370 befragt, als gäbe es einen verborgenen Grund dahinter, den diese Person wisse. Curwen fragte den Gefangenen – falls es denn ein Gefangener war –, ob der Befehl, alle niederzumetzeln, erteilt wurde, weil man auf dem Altar in dem alten römischen Grabgewölbe unter der Kathedrale das Zeichen des Ziegenbockes entdeckte oder weil der Dunkle Mann aus Haute-Vienne die Drei Worte aussprach. Als keine Antwort erfolgte, griff der Fragesteller offenbar zu drastischen Mitteln, denn kurz darauf hörte man einen furchtbaren Schrei, auf den Stille, dann Geflüster und ein dumpfes Geräusch folgten.
    Keines dieser Gespräche konnte beobachtet werden, da die Fenster immer durch dicke Vorhänge verhangen waren. Während einer Unterhaltung in einer unbekannten Sprache sah Weeden jedoch einmal einen Schatten auf dem Vorhang, der ihn unmäßig erschrak – er erinnerte ihn an eine der Puppen in einer Aufführung, die er im Herbst 1764 in der Hacher’s Hall gesehen hatte. Ein Mann aus Germantown in Pennsylvania hatte damals eine der einfallsreichen Szenen des Puppenspiels mit folgenden Worten präsentiert: »Ansicht der berühmten Stadt Jerusalem, in der Jerusalem, der Tempel des Salomon, sein Königsthron, die berühmten Türme und Hügel zu sehen sind, doch auch der Leidensweg unseres Heilands vom Garten Gethsemane bis hin zum Kreuz auf dem Hügel von Golgatha – ein künstlerisch-bildnerisches Werk, das alle Neugierigen gesehen haben sollten.«
    Bei dieser Gelegenheit geschah es, dass der Horcher, der nahe ans Fenster des vorderen Raumes herangeschlichen war, aus dem die Stimmen drangen, durch sein Erschrecken das alte Indianerpaar aufmerksam machte, das daraufhin die Hunde auf ihn hetzte. Danach wurden im Haus keine weiteren Gespräche mehr gehört, demzufolge Weeden und Smith schlussfolgerten, dass Curwen seine Aktivitäten in Bereiche verlegt hatte, die unter dem Gebäude lagen.
    Dass solche Bereiche tatsächlich existierten, schien aus vielerlei Gründen eindeutig. Auf offenem Gelände drangen hin und wieder schwache Echos von Schreien und Gewimmer aus dem scheinbar soliden Erdreich herauf und am Flussufer hinter dem Haus, wo das hohe Gelände steil ins Tal des Pawtuxet absinkt, fanden die beiden in den Büschen verborgen ein gewölbtes Eichentor in einem Rahmen aus schwerem Mauerwerk: offensichtlich der Eingang zu Höhlen im Hügel. Wann und wie diese Katakomben erbaut worden waren, konnte Weeden nicht einschätzen, er wies jedoch mehrfach darauf hin, wie einfach es für Arbeitergruppen sei, vom Fluss aus ungesehen diese Stelle zu erreichen. Joseph Curwen hatte für seine gemischtrassigen Matrosen in der Tat unterschiedlichste Verwendung gefunden!
    Während der schweren Regenfälle im Frühjahr 1769 behielten die beiden Wächter das steile Flussufer genauestens im Auge. Vielleicht wurden dort irgendwelche unterirdischen Geheimnisse ans Tageslicht gespült. Ihr Eifer wurde tatsächlich belohnt: An Stellen, wo tiefe Kanäle in die Uferböschung gewaschen worden waren, tauchten viele, viele Menschen- und Tierknochen auf.

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