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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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die Knollen an jedem Ende und die flachen, leicht nach außen gebogenen Seesternarme, die von diesen Knollen ausgingen – es war alles da. Im Licht der Glühbirne schien ihre Farbe eine Art schimmerndes, von grünen Schlieren durchzogenes Grau zu sein. Gilman erkannte zu seinem Entsetzen, dass eine der Knollen eine gezackte Bruchstelle aufwies – genau dort, wo die Figur in seinem Traum am Geländer befestigt gewesen war.
    Allein die Verwirrung und Lähmung, die sich seiner bemächtigten, hielten ihn davon ab, lauthals zu schreien. Diese Verschmelzung von Traum und Wirklichkeit war mehr, als er ertragen konnte. In seiner Benommenheit ergriff er das stachelige Ding und schwankte die Treppe hinab zur Wohnung Dombrowskis, des Hauswirts. Die winselnden Gebete des abergläubischen Webers hallten noch immer durch die modrigen Gänge, doch Gilman schenkte ihnen keinerlei Beachtung. Der Hauswirt war zugegen und begrüßte ihn freundlich. Nein, er habe dieses Ding noch nie zuvor gesehen und wisse nichts darüber. Seine Gattin aber habe gesagt, sie habe am Mittag, als sie die Zimmer herrichtete, ein komisches Ding aus Blech in einem der Betten gefunden, und vielleicht handele es sich ebendarum. Dombrowski rief nach seiner Frau und sie watschelte herbei. Ja, das sei das Ding. Sie habe es in dem Bett des jungen Herren gefunden – auf der Seite zur Wand hin. Es habe in ihren Augen sehr seltsam ausgesehen, aber der junge Herr horte ja eine Menge seltsamer Dinge in seinem Zimmer – Bücher, Antiquitäten, Bilder und Zeichnungen. Sie habe keinerlei Ahnung, was das Ding sei.
    Also ging Gilman innerlich aufgewühlt wieder nach oben, überzeugt davon, dass er noch immer träumte oder dass sein Schlafwandeln extreme Ausmaße angenommen und ihn dazu gebracht hatte, an unbekannten Orten Dinge zu beschädigen. Woher hatte er bloß diese ausgefallene Figur? Er konnte sich nicht erinnern, sie je in einem Museum in Arkham gesehen zu haben. Irgendwie musste er jedoch in ihren Besitz gelangt sein – und als er sie in seinem Schlaf irgendwo abgebrochen hatte, musste das wohl das sonderbare Traumbild von der Terrasse und der Balustrade hervorgerufen haben. Am nächsten Tag würde er einige sehr vorsichtige Erkundungen einholen müssen – und vielleicht den Nervenspezialisten aufsuchen.
    In der Zwischenzeit würde er versuchen, sein Schlafwandeln zu überwachen. Beim Hinaufgehen verstreute er etwas Mehl über die Treppe und den Korridor vor seinem Zimmer – das Mehl hatte er sich vom Hauswirt geborgt und auch ganz offen gesagt, zu welchem Zweck er es benötige. Auf seinem Weg hatte er vor Elwoods Tür Halt gemacht, doch in dem Zimmer brannte kein Licht. Als Gilman in sein eigenes Zimmer kam, legte er das stachlige Ding auf den Tisch und warf sich auf das Bett – er war körperlich wie geistig so erschöpft, dass er sich nicht einmal mehr auszog. Aus der verschlossenen Dachkammer über der schiefen Decke glaubte er, ein leises Kratzen und Tappen zu hören, aber er war zu erledigt, um sich darum zu scheren. Der rätselhafte Nordwärtsdrang wurde wieder sehr stark, schien nun allerdings von einer niedrigeren Stelle am Himmel auszugehen.
    Im verwirrenden violetten Traumlicht kehrten die alte Frau und das Pelzwesen mit den Reißzähnen zu ihm zurück, und dieses Mal waren sie deutlicher erkennbar als je zuvor. Sie kamen ihm auch näher als bisher; er fühlte, wie die Alte mit ihren runzligen Klauen seinen Arm ergriff. Er wurde aus dem Bett ins Leere gerissen, und einen Moment lang hörte er ein rhythmisches Brüllen und sah die dämmrige Formlosigkeit der schemenhaften Schluchten, die um ihn herum brodelten. Doch das währte nur einen kurzen Augenblick; gleich darauf befand er sich in einem rohen, kleinen, fensterlosen Raum mit grob gezimmerten Brettern und Balken, die bis knapp über den Kopf reichten, und einem merkwürdig abschüssigen Fußboden. Dort standen niedrige Regale voll mit Büchern jeden Alters und in jedem Stadium des Verfalls, und in der Mitte des Raumes befanden sich ein Tisch und eine Bank, die beide anscheinend an Ort und Stelle genagelt waren. Oben auf den Regalen befanden sich kleine Gegenstände unbekannter Form und Art, und in dem flammend violetten Licht glaubte Gilman, ein Gegenstück zu der stachligen Figur zu erkennen, die ihm so schreckliche Rätsel aufgegeben hatte. Zur Linken fiel der Fußboden schlagartig ab und mündete in einem dreieckigen schwarzen Loch, aus dem nach einem kurzen trockenen Rascheln das

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