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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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bräunlichen Tropfen oder Flecken ab, konnte aber nichts finden. Es wäre besser gewesen, so überlegte er, hätte er auch im Zimmer selbst Mehl ausgestreut – andererseits benötigte er keine weiteren Beweise für sein Schlafwandeln. Er wusste, dass er schlafwandelte – und nun musste er etwas dagegen unternehmen. Er würde Frank Elwood um Hilfe bitten. Heute Morgen schien sein sonderbarer Drang, sich irgendwohin zu begeben, weniger stark, war aber durch eine noch unerklärlichere Empfindung ersetzt worden: den vagen, beharrlichen Impuls, die derzeitige Situation fluchtartig hinter sich zu lassen, ohne aber zu wissen, wohin er fliehen sollte. Als er das sonderbare stachlige Bildnis vom Tisch nahm, glaubte er, dass der alte nach Norden ziehende Drang sich ein wenig verstärkte; dennoch wurde er von dem neuen, noch erstaunlicheren Drang gänzlich überlagert.
    Er nahm die stachelige Figur mit hinunter zu Elwood und wappnete sich gegen das Gewinsel des Webers, das aus dem Erdgeschoss drang. Dem Himmel sei Dank, Elwood war da und schien schon auf zu sein. Er hatte etwas Zeit für eine Unterhaltung, bevor er zum Frühstück und zur Universität musste, und aus Gilman ergoss sich ein eiliger Bericht über seine jüngsten Träume und Ängste. Sein Gastgeber lauschte ihm teilnahmsvoll und war wie er der Meinung, dass etwas unternommen werden müsse. Er zeigte sich schockiert über das ausgezehrte, abgemagerte Aussehen seines Gastes und bemerkte auch den sonderbaren, unnatürlich wirkenden Sonnenbrand, der anderen schon im Laufe der letzten Woche aufgefallen war. Er konnte ihm jedoch nicht viel sagen. Er habe Gilman nicht beim Schlafwandeln gesehen und wisse auch nicht, was die seltsame Figur darstellen solle. Eines Abends habe er allerdings gehört, wie sich der Frankokanadier, der genau unter Gilman wohnte, mit Mazurewicz unterhielt. Sie hätten sich darüber ausgetauscht, wie sehr sie sich vor der kommenden Walpurgisnacht, bis zu der es nur noch wenige Tage dauerte, fürchteten; außerdem hätten sie ihr Mitleid mit dem armen, verfluchten jungen Herrn geäußert. Desrochers, der Bursche, der unter Gilman wohnte, habe von nächtlichen Schritten – die einen barfuß, die anderen wie mit Schuhen – und von dem violetten Licht gesprochen, das er eines Nachts gesehen hatte, als er ängstlich nach oben geschlichen sei, um durch Gilmans Schlüsselloch zu spähen. Das aber hätte er dann nicht mehr gewagt, so habe er Mazurewicz erzählt, als er dieses Licht durch die Ritzen der Tür habe dringen sehen. Er hätte auch leises Reden gehört – und als Desrochers es näher beschrieb, habe sich seine Stimme zu einem unhörbaren Flüstern gesenkt.
    Elwood konnte sich nicht vorstellen, was diesen abergläubischen Figuren den Anlass zu ihrem Klatsch gegeben haben mochte, vermutete aber, dass zum einen Gilmans Angewohnheit, in der Nacht aufzubleiben, und sein Reden und Gehen im Schlaf, und zum anderen die zeitliche Nähe der seit alters gefürchteten Walpurgisnacht ihre Fantasie angestachelt haben könnten. Dass Gilman im Schlaf redete, war offenkundig, und allem Anschein nach hatte sich die trügerische Idee vom violetten Traumlicht verbreitet, nachdem Desrochers an seiner Tür gehorcht hatte. Diese einfachen Menschen mochten sich leicht einbilden, mit eigenen Augen etwas Seltsames gesehen zu haben, von dem sie nur gehört hatten. Was konkret zu unternehmen sei – auf jeden Fall sollte Gilman besser in Elwoods Zimmer umziehen und vermeiden, allein zu schlafen. Wenn Elwood davon wach würde, dass Gilman anfing, im Schlaf zu wandeln oder zu sprechen, könne er ihn ja wecken. Außerdem müsse er sehr bald einen Spezialisten aufsuchen. In der Zwischenzeit würden sie mit der stacheligen Figur in verschiedene Museen und zu einigen Professoren gehen; sie würden darum bitten, das Ding identifizieren zu lassen, und behaupten, es sei in einer Abfalltonne gefunden worden. Darüber hinaus müsse Dombrowski sich darum kümmern, die Ratten in den Trennwänden zu vergiften.
    Da ihm Elwoods Kameradschaftlichkeit Mut machte, besuchte Gilman an diesem Tag die Universität. Noch immer verspürte er die seltsamen Zwänge, konnte sie aber mit beträchtlichem Erfolg unterdrücken. In einer freien Stunde zeigte er die eigenartige Figur mehreren Professoren, die alle ein starkes Interesse daran bekundeten, aber keinerlei Angaben über ihre Herkunft oder ihren Zweck machen konnten. In der Nacht schlief er auf einem Sofa, das der Hauswirt auf Elwoods

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