Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
wurde mit Lord Byron, Shelley und anderen verglichen. Aber erst im Dezember 1922 folgte ein zweiter Band (›Ebony and Crystal. Poems in Verse and Prose‹, Auburn, Kalifornien 1922, nur noch in einer Auflage von 525 Exemplaren). Lovecraft hat Smiths umfangreiche Fin de siècle-Lyrik aufrichtig bewundert; in Deutschland ist sie weithin unbekannt, obwohl sie ohne Frage Smiths Hauptwerk darstellt. Direkte Anspielungen hat Lovecraft in ›The Thing on the Doorstep‹ weiter auf Robert E. Howard eingebaut, dessen Selbstmord am 11. Juni 1936 Lovecraft als tiefen Schock erlebte. Justin Geoffrey, der Autor von ›The People of the Monolith‹ (eine Figur auf den ersten Seiten der folgenden Erzählung) ist der Protagonist von Howards ›The Black Stone‹ (zuerst erschienen in Weird Tales November 1931).
Die Vernetzung verbindet hier geschickt Fiktives und Reales. Alle drei (Lovecraft, Smith und Howard) waren Einzelkinder, alle drei hatten eine einzelgängerische, der Imagination hingegebene Jugend. Der amerikanische Lovecraftforscher S. T. Joshi hat auch Bezüge auf Alfred Galpin nachgewiesen (einen Freund Lovecrafts seit 1918, als Galpin gerade 17 Jahre alt war und ebenfalls als eine Art ›jugendliches Genie‹ galt). Der Schriftsteller erzählt nicht einfach seine eigene Geschichte: Er nimmt Bausteine aus seiner Autobiografie, aus dem Leben anderer verwandter Seelen, aus seiner Fantasie, aus der Literatur und nicht zuletzt aus dem Bildrepertoire menschlicher Urängste und schafft daraus etwas durchaus Neues. Der biografische Deutungsansatz darf diesen weiteren Horizont, der auch in diese kleine Horrorgeschichte eingeflossen ist, nicht übersehen.
›The Thing on the Doorstep‹ wurde in einer der für Lovecraft typischen kreativen Explosionen zwischen dem 21. und 24. August 1933 niedergeschrieben, nachdem er sich längere Zeit vor allem mit der Revision seines Essays Supernatural Horror in Literature beschäftigt hatte. Lovecrafts Manuskript ist erhalten. Ansonsten war dies ein eher schwieriges Jahr für den Autor; mehrere kreative Versuche liefen offenbar ins Leere.
Ein heimlicher Protagonist Lovecrafts ist wieder einmal ein Haus. Diesmal ist es das »alte Crowninshield-Anwesen«, das Crowninshield-Bentley-House in Salem. Erbaut 1727 im Auftrag von Kapitän John Crowninshield, umgebaut 1794, wohnte hier von 1791 bis 1819 Reverend William Bentley, dessen nach seinem Tod publiziertes Tagebuch mit seiner feinen Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen Salems, ihrer Geschichte, ihren Sorgen, Sitten und Gebräuchen, aber auch Wunderlichkeiten eine Hauptquelle der Regionalgeschichte ist und zu den großen Zeugnissen aus jenen Tagen gehört, als auch erwachsene Menschen noch Tagebücher schrieben. 1959 wurde das Haus an seinen gegenwärtigen Platz auf dem Gelände des Essex Institute verbracht (126 Essex Street), wo man es bis heute mit einer originalgetreuen Einrichtung im Queen Anne- und Chippendale-Stil besichtigen kann. Das durchaus bescheidene zweieinhalbgeschossige Gebäude (als ich es zuletzt sah, hatte es gerade einen gelben Anstrich erhalten) strahlt jene zurückhaltende, leise Eleganz aus, die Lovecrafts an den traditionellen Bauwerken Neuenglands so geschätzt hat. Gerade in ein solches Haus verlegt er die grausigen Ereignisse unserer Erzählung.
Auch die Namen, die Lovecraft benutzt, haben allesamt reale lokale Bezüge. Der Erbauer des Cowninshield-Anwesens hatte eine Tochter Elizabeth, die Elias Hasket Derby heiratete – Amerikas ersten Millionär. Derby ist natürlich der Familienname von Lovecrafts unglücklichem Protagonisten. Der erste Derby war mit dem Ostasienhandel reich geworden und konnte während des Unabhängigkeitskrieges einhundert Soldaten aus eigener Tasche ausrüsten und bezahlen. Lovecraft hat gerne an solche Familien mit großbürgerlichem Hintergrund erinnert: ein Hintergrund, den er selbst nicht besaß. Der Name Asenath übrigens, der im deutschen Sprachraum nicht so gebräuchlich ist, stammt aus der Bibel: Josephs ägyptische Frau hieß so.
Man beachte die mehrfache Vernetzung mit ›The Shadow Over Innsmouth‹. Der Hexenkult in Maine, der eine so düstere Rolle im Hintergrund spielt, erinnert an ›The Dreams in the Witch House‹. In der späteren Novelle ›The Haunter of the Dark‹ (weiter hinten in diesem Band) will der Protagonist Robert Blake einen Roman über Hexen in Maine schreiben. Lovecraft hatte eigene Ideen in diese Richtung. Aber seine Krankheit hat solche Pläne zunichte
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