Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Ratte aus dem blutbesudelten Bettzeug auftauchte, über den Boden davonlief und in einem neuen Loch in der Nähe verschwand. Als der Arzt kam und sich daranmachte, die schrecklichen Laken zu entfernen, war Walter Gilman bereits tot.
Es wäre barbarisch, mehr als nur eine Andeutung darüber zu machen, was Gilman getötet hatte. Durch seinen Körper verlief buchstäblich ein Tunnel – etwas hatte sein Herz herausgefressen. Dombrowski, in panischem Entsetzen über das Versagen seines Rattengiftes, verbannte jeden Gedanken an sein Mietshaus und zog innerhalb einer Woche mit all seinen alten Mietern in ein schäbiges, aber nicht so altes Haus in der Walnut Street um. Eine Zeit lang bestand das größte Problem darin, Joe Mazurewicz ruhig zu halten, denn der grüblerische Weber war nun immerzu betrunken und winselte und murmelte unablässig von gespenstischen, schrecklichen Dingen.
Es scheint, dass Joe sich in dieser letzten schrecklichen Nacht gebückt hatte, um die scharlachroten Rattenspuren zu betrachten, die von Gilmans Sofa zu dem nahe gelegenen Loch führten. Auf dem Teppich waren sie nur sehr undeutlich zu erkennen, doch zwischen dem Teppichrand und der Wand erstreckte sich noch ein Stück freier Boden. Dort hatte Mazurewicz etwas Ungeheuerliches vorgefunden – zumindest glaubte er das, denn niemand war völlig seiner Meinung, auch wenn die Spuren tatsächlich unbestreitbar merkwürdig aussahen. Die Spuren auf dem Holzboden unterschieden sich gewiss stark von den Spuren einer durchschnittlichen Ratte, aber nicht einmal Choynski und Desrochers wollten zugeben, dass sie wie die Abdrücke von vier winzigen menschlichen Händen aussahen.
Das Haus wurde nie wieder vermietet. So wie Dombrowski es zurückließ, legte sich das Leichentuch der endgültigen Verlassenheit darüber, da die Menschen es wegen seines schlechten Rufes und wegen des fauligen Geruchs mieden, der sich dort verbreitete. Vielleicht hatte das Rattengift des ehemaligen Hauswirts doch Wirkung gezeitigt, denn nicht lange nach seinem Auszug wurde das Haus zu einem Ärgernis der Nachbarschaft. Beamte von der Gesundheitsbehörde erklärten den Gestank mit den verschlossenen Räumen über und neben dem ostwärts gelegenen Mansardenzimmer; die Anzahl der toten Ratten musste wohl gewaltig sein. Sie entschieden jedoch, dass es vergebliche Mühe sei, diese Räume aufreißen und desinfizieren zu lassen, denn der üble Geruch würde sich bald wieder legen, und allzu strenge Maßstäbe seien in diesem Stadtviertel nicht angebracht. Tatsächlich hatten hier schon immer Gerüchte über einen unerklärlichen Gestank kursiert, der angeblich in den oberen Etagen des Hexenhauses kurz nach der Walpurgisnacht und Halloween auftrat. Die Nachbarn fügten sich in die Untätigkeit – natürlich wurde der Ruf des Hauses durch den fauligen Geruch noch schlechter. Letzten Endes wurde es vom Bauamtsinspektor für unbewohnbar erklärt.
Gilmans Träume mitsamt ihren Begleitumständen sind nie aufgeklärt worden. Elwood, den die Gedanken an die ganze Episode zuweilen schier wahnsinnig machten, nahm im Herbst sein Studium wieder auf, das er im folgenden Juni abschloss. Der unheimliche Klatsch in der Stadt war erheblich zurückgegangen, und es ist eine Tatsache, dass seit Gilmans Tod von keinem neuen Auftauchen der alten Keziah oder von Brown Jenkin gemunkelt wurde – lässt man vereinzelte Berichte über ein gespenstisches Kichern in dem verlassenen Haus außer Acht, das so lange währte, wie das Gebäude stand. Es ist nur gut, dass Elwood nicht mehr in Arkham weilte, als durch gewisse Ereignisse das Gerede über die uralten Schrecknisse wieder auflebte. Natürlich hörte er im Nachhinein von der Angelegenheit und quälte sich mit wilden Vermutungen; doch das war bei Weitem nicht so schlimm, als wenn er zugegen gewesen wäre und gewisse Dinge mit eigenen Augen gesehen hätte.
Im März des Jahres 1931 zerstörte ein Sturm das Dach und den Schornstein des leer stehenden Hexenhauses; eine Kaskade von morschen Backsteinen, geschwärzten und moosbedeckten Dachziegeln und vermoderten Planken und Balken stürzte hinab in den Speicher und durchbrach die Decke. Das gesamte Obergeschoss lag nun voller Trümmer, doch niemand machte sich die Mühe, das Chaos zu beseitigen – der Abriss des baufälligen Hauses war ohnehin unvermeidlich. Im Dezember wurde damit begonnen, und als Gilmans altes Zimmer von unwilligen, nervösen Arbeitern ausgeräumt wurde, fing der Klatsch wieder an.
Unter
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