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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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nicht in Zweifel ziehen, dass gewisse beharrliche Legenden aus grauer Vorzeit, die den Ärzten und Opfern jüngerer Amnesiefälle anscheinend unbekannt waren, in einem so erstaunlichen wie bestürzenden Zusammenhang mit Fällen von Gedächtnisverlust wie dem meinen standen.
    Über das Wesen der Träume und der Eindrücke, die so grelle Ausmaße annahmen, wage ich noch immer kaum zu sprechen. Sie schienen mir nach Wahnsinn zu schmecken, und zuweilen glaubte ich wirklich, den Verstand zu verlieren. Gab es eine besondere Art von Sinnestäuschungen, die diejenigen heimsuchte, die an Gedächtnisverlust gelitten hatten? Es war vorstellbar, dass die Bemühungen des Unterbewusstseins, eine verwirrende Leere mit Pseudo-Erinnerungen zu füllen, merkwürdige Kapriolen der Einbildung nach sich ziehen könnte.
    Dies war denn auch die Ansicht der meisten der Nervenärzte, die mir bei meiner Suche nach vergleichbaren Fällen behilflich waren und die meine Verwirrung über die zuweilen vorhandenen exakten Entsprechungen teilten. Doch in letzter Konsequenz schien mir eine andere, volkstümlichere Theorie plausibler zu sein.
    Die Nervenärzte bezeichneten diesen Zustand nicht als reinen Wahn, sondern ordneten ihn lieber den Neurosen zu. Mein Unterfangen, seine Ursache dafür aufspüren und analysieren zu wollen, anstatt vergeblich zu versuchen, alles zu vergessen, wurde von ihnen begrüßt und ermuntert, da ein solches Vorgehen den besten psychologischen Prinzipien entspreche. Besondere Wertschätzung brachte ich den Ratschlägen der Ärzte entgegen, die mich während meiner Besessenheit durch die andere Persönlichkeit beobachtet hatten.
    Meine ersten Komplikationen waren nicht visueller Natur, sondern hingen mit den bereits erwähnten abstrakteren Dingen zusammen. Dazu kam ein Gefühl tiefen und unerklärlichen Grauens vor mir selbst. Ich entwickelte eine eigenartige Furcht vorm Anblick meiner eigenen Gestalt, als könnten meine Augen daran etwas gänzlich Fremdes und unermesslich Grässliches entdecken.
    Blickte ich dann doch an mir hinab und gewahrte die vertraute menschliche Gestalt in gedeckter grauer oder blauer Kleidung, verspürte ich stets eine merkwürdige Erleichterung, doch um diese Erleichterung zu erlangen, musste ich erst eine unendliche Angst überwinden. Ich mied Spiegel, wo es nur ging, und ließ mich immer beim Barbier rasieren.
    Es dauerte sehr lange, bis ich irgendeines dieser unangenehmen Gefühle mit den flüchtigen visuellen Eindrücken, die immer häufiger auftraten, in Verbindung brachte. Der erste Zusammenhang, den ich herstellte, hatte mit der merkwürdigen Empfindung einer von außen kommenden, künstlichen Beschränkung meines Gedächtnisses zu tun.
    Ich hatte das Gefühl, dass die kurz aufblitzenden Visionen, die ich hatte, von einer tief greifenden und schrecklichen Bedeutung waren und in fürchterlichem Zusammenhang mit mir standen, dass jedoch irgendein Einfluss mich absichtlich davon abhielt, diese Bedeutung und diesen Zusammenhang zu erfassen. Hinzu kam das sonderbare Zeitempfinden, und damit einher ging mein verzweifeltes Bestreben, die bruchstückhaften Traumgesichte in ein chronologisches und räumliches Muster einzuordnen.
    Diese flüchtigen Gesichte selbst waren anfangs eher merkwürdig als erschreckend. Ich schien mich in einer gewaltigen gewölbeartigen Kammer zu befinden, deren hohe steinerne Kreuzgewölbe sich beinahe in der Dunkelheit verloren. In welcher Zeit und an welchem Ort dies auch sein mochte, das architektonische Prinzip des Bogens jedenfalls war wohlbekannt und wurde so häufig wie in altrömischen Bauten eingesetzt.
    Es gab kolossale runde Fenster und hohe Torbögen und Postamente oder Tische, die jeweils so hoch waren wie ein normales Zimmer. Gewaltige Regale aus dunklem Holz säumten die Wände und enthielten allem Anschein nach Bücher von immenser Größe, deren Rücken mit fremdartigen Schriftzeichen geschmückt waren.
    Auf dem sichtbaren Mauerwerk waren eigenartige Reliefs zu erkennen, stets in krummlinigen mathematischen Mustern, und es waren Inschriften eingemeißelt, die aus denselben Schriftzeichen bestanden wie die Beschriftungen auf den riesigen Büchern. Das Mauerwerk bestand aus dunklem Granit und ungeheueren, megalithartigen Blöcken; die konkav geformten oberen Reihen passten sich in die konvex geformten Blöcke darunter ein.
    Es gab keine Stühle, aber die Flächen der gewaltigen Postamente waren voller Bücher, Papiere und Gegenstände, die nach

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