Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Vorkehrungen getroffen, um an dem schuldig gewordenen Geist in seinem neuen Leib der Zukunft die Strafe zu vollziehen – manchmal kam es sogar zu einem erzwungenen rückläufigen Austausch.
Komplizierte Fälle von Verdrängung erforschender oder bereits gefangener Geister durch Geister aus verschiedenen Abschnitten der Vergangenheit waren bekannt und sorgfältig wieder korrigiert worden. In jeder Epoche seit der Entdeckung der Geistesprojektion setzte sich ein winziger, aber wohlbekannter Bevölkerungsanteil aus Geistern der Großen Rasse der Vergangenheit zusammen, die über einen kürzeren oder längeren Zeitraum hinweg hier verweilten.
Kehrte ein gefangener Geist fremden Ursprungs in seinen eigenen Körper in der Zukunft zurück, so wurde er durch eine verfeinerte mechanische Hypnose von allem bereinigt, was er im Zeitalter der Großen Rasse gelernt hatte – das geschah aufgrund gewisser problematischer Folgen, die ein In-die-Zukunft-Tragen von großen Wissensbeständen zeitigen konnte.
Die wenigen Beispiele einer Rückübertragung ohne diese Reinigung hatten große Unruhen ausgelöst und würden das zu bestimmten Zeiten in der Zukunft auch noch tun. Und laut den alten Mythen war es größtenteils zweien solcher Fälle zu verdanken, dass die Menschheit gewisse Kenntnisse über die Große Rasse besaß.
Aus jener unendlich fernen Epoche hatten nur wenige Dinge überlebt: gewisse steinerne Ruinen an entlegenen Orten und unter dem Meer sowie Textteile der fürchterlichen Pnakotischen Manuskripte.
Und so kam der zurückgekehrte Geist mit einem nur überaus vagen und bruchstückhaften Eindruck von dem heim, was ihm seit seiner Entführung zugestoßen war. Alle Erinnerungen, die man auslöschen konnte, wurden ausgelöscht, sodass sich in den meisten Fällen nur eine traumartige Leere über die Zeit der Verdrängung legte. Manche erinnerten sich an mehr als andere, und das zufällige Vergleichen solcher Erinnerungen hatte bei seltenen Gelegenheiten Andeutungen über die verbotene Vergangenheit und zukünftige Epochen zum Vorschein gebracht.
Vermutlich gab es keine Zeit, in der sich gewisse Gruppierungen oder Sekten nicht insgeheim über manche dieser Andeutungen freuten. Im Necronomicon wurde das Vorhandensein einer solchen Sekte unter den Menschen erwähnt – eine Sekte, die den Geistern zuweilen dabei half, aus den Tagen der Großen Rasse in unsere Zeit zu reisen.
Und in der Zwischenzeit wurde die Große Rasse beinahe allwissend und wandte sich der Aufgabe zu, einen Austausch mit den Geistern anderer Planeten herbeizuführen und deren Vergangenheit und Zukunft zu erkunden. Auch versuchten sie, die Vergangenheit und den Ursprung jener schwarzen, seit Äonen toten Welt fern im Kosmos zu ergründen, die ihre mentale Herkunft war – denn die Geister der Großen Rasse waren älter als ihre körperliche Gestalt.
Die Wesen einer sterbenden alten Welt, die mit ihrer Weisheit auch die letzten Geheimnisse gelüftet hatten, hatten nach einer neuen Welt und einer Spezies gesucht, die ihnen ein langes Leben zu versprechen schienen, und sie hatten ihre Geister en masse in jenes zukünftige Geschlecht gesandt, das sie am besten beherbergen konnte – die kegelförmigen Wesen, die unsere Erde vor einer Milliarde Jahren bevölkerten.
Und so wurde die Große Rasse zu dem, was sie war, und die unzähligen Geister, die in der Zeit zurückgeschickt wurden, starben voller Grauen über ihre sonderbare neue Gestalt. Später stand die Rasse erneut vor der Auslöschung, überlebte aber durch eine weitere Zeitwanderung ihrer größten Geister in die Körper von anderen, die eine längere physische Lebensspanne vor sich hatten.
Dies war der Hintergrund der ineinander verwobenen Legenden und Halluzinationen. Als ich um 1920 herum meine Nachforschungen in eine zusammenhängende Form gebracht hatte, verspürte ich ein leichtes Nachlassen der Anspannung, unter der ich zuvor gelitten hatte. Waren denn, trotz aller durch blinde Gefühlswallungen ausgelösten Wahnideen, die meisten meiner Phänomene nicht leicht erklärbar? Durch Zufall mochte ich mich während meines Gedächtnisverlustes mit dunklen Themen befasst haben – woraufhin ich die verbotenen Legenden gelesen und die Bekanntschaft von Vertretern uralter und übel beleumdeter Sekten gemacht hatte. Das lieferte doch wohl ausreichend Stoff für die Träume und verwirrenden Gefühle, die nach der Rückkehr meines Gedächtnisses einsetzten.
Was die Randnotizen in erträumten
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