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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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uns bisher zusammengereimt hatten! Dann, als wir behutsam über die Trümmer auf dem großen Rundboden voranstiegen, traf uns ein Anblick, der sofort alle Überlegungen vergessen ließ. Sie waren von der Rampe verdeckt gewesen, daher hatten wir sie bisher nicht gesehen – drei ordentlich abgestellte Schlitten.
    Sie waren es – die drei Schlitten, die aus Lakes Lager fehlten –, die Kufen abgewetzt von unerbittlichem gewaltsamen Zerren über weite Strecken schneefreien Mauerwerks und Schutts. Man hatte sie sorgfältig und zweckmäßig bepackt und verzurrt und sie trugen Dinge, die uns nur zu vertraut waren: den Ölofen, Benzinkanister, Werkzeugkisten, Konservenbüchsen, Zeltplanen, die offenbar um einige Bücher und andere, weniger leicht erkennbare Gegenstände gewickelt waren – lauter Bestandteile von Lakes Ausrüstung.
    Nach unserem Fund in jenem anderen Raum waren wir bis zu einem gewissen Grad auf diese Entdeckung gefasst gewesen. Der große Schock kam, als wir hinübergingen und eine der Ölhäute aufschnürten, deren Umrisse uns besonders alarmiert hatten. Wie es scheint, besaßen noch andere als Lake ein ähnliches Interesse wie er an der Sammlung charakteristischer Forschungsexemplare, denn zwei davon lagen nun hier vor uns; beide steifgefroren, vollständig erhalten, bedeckt mit Heftpflastern, wo die Halsgegend Verletzungen aufwies, und sorgsam eingepackt, um weitere Beschädigungen zu vermeiden. Es waren die Leichen des jungen Gedney und des vermissten Hundes.
    X
    Wahrscheinlich werden uns viele Menschen nicht nur für wahnsinnig, sondern obendrein noch für gefühllos halten, weil wir uns schon kurz nach dieser traurigen Entdeckung wieder für den nördlichen Tunnel und den Abgrund interessierten – doch es trat ein besonderer Umstand ein, der uns unvorbereitet traf und eine ganze Kette neuer Mutmaßungen in Gang setzte. Wir hatten die Plane wieder über den armen Gedney gelegt und standen stumm und erschüttert da, als wir endlich die Geräusche registrierten – die ersten Geräusche, die wir hörten, seit wir aus den luftigen Regionen unter freiem Himmel, wo der Gebirgswind schwach von unirdischen Höhen herabheulte, hinabgestiegen waren. Obwohl es völlig alltägliche Geräusche waren, wirkten sie in dieser abgeschiedenen Welt des Todes außergewöhnlicher und nervenzerrender als es vielleicht irgendwelche grotesken oder unwirklichen Lauten vermocht hätten – denn sie ließen jetzt all unsere Auffassungen von einer kosmischen Harmonie zusammenbrechen.
    Wäre es irgendeine Andeutung jenes bizarren melodischen Pfeifens gewesen, das wir aufgrund von Lakes Untersuchungen bei jenen anderen erwarteten – und das unsere überspannte Einbildung tatsächlich aus jedem Seufzer des Windes heraushörte, seit wir die Schrecken im Lager entdeckt hatten –, so hätte es in einer Art höllischer Übereinstimmung irgendwie zu unserer seit Endlosigkeiten toten Umgebung gepasst. Eine Stimme aus anderen Zeiten gehört in einen Friedhof anderer Zeiten. Doch nun zerschlug das Geräusch alle unsere bisher als gesichert angesehenen Auffassungen – unsere ganze stillschweigende Annahme, die innere Antarktis sei eine Einöde und vollkommen und unwiderruflich frei von jeder Spur normalen Lebens. Was wir hörten, war nicht der unbeschreibliche Klang einer begrabenen Blasphemie der alten Erde, der durch übernatürliche Zähigkeit und eine seit Urzeiten entbehrte Polarsonne eine monströse Regung entlockt wurde. Nein, es handelte sich um etwas, das so haarsträubend normal und uns seit unseren Tagen auf See vor Viktoria-Land und im Lager am McMurdo-Sund so sehr vertraut geworden war, dass uns ein Schauder erfasste, es hier zu vernehmen, wo solche Dinge nicht hingehörten. Denn – es war nichts weiter als das raue Kreischen eines Pinguins.
    Das gedämpfte Geräusch drang tief unterhalb der Eisdecke hervor, gegenüber dem Korridor, durch den wir hierhergelaufen waren – aus der Richtung, in der der Tunnel lag, der dem gigantischen Abgrund zustreben musste. Die Gegenwart eines lebenden Wasservogels in solch einer Region – in einer Welt, deren Oberfläche seit ewigen Zeitaltern nicht das geringste Leben beherbergte – konnte nur eine einzige Schlussfolgerung zulassen; daher wollten wir uns sofort von der unwiderlegbaren Wirklichkeit dieses Kreischens überzeugen. Es wiederholte sich mehrmals und es schien gelegentlich aus mehr als einer Kehle zu dringen. Auf der Suche nach seinem Ursprung liefen wir in einen Bogengang,

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