Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
übertrafen – nämlich in der charakteristischen und unverkennbaren Meisterschaft der Großen Alten zur Blütezeit der toten Stadt.
    Gewiss werden manche sagen, Danforth und ich seien heillos wahnsinnig gewesen, nach all dem nicht um unser Leben zu laufen, jetzt, da unsere Schlussfolgerungen – ungeachtet ihrer Abenteuerlichkeit – feststanden und die ich wohl niemandem, der meinen Bericht bis hierher gelesen hat, noch zu erläutern brauche. Vielleicht waren wir wirklich wahnsinnig – habe ich jene grauenvollen Gipfel nicht Berge des Wahnsinns getauft? Doch ich glaube, etwas von demselben Geist – obgleich in geringerer Ausprägung – beobachtet man auch bei jenen Männern, die tödlichen Raubtieren durch afrikanische Urwälder nachpirschen, um sie zu fotografieren oder ihre Lebensgewohnheiten zu erforschen. Waren wir auch nahezu vor Grauen gelähmt, nun flammte in uns doch eine lodernde Flamme der Ehrfurcht und der Neugier auf, die letztlich triumphierte.
    Natürlich wollten wir dem – oder denen –, von denen wir wussten, sie hatten hier verweilt, nicht begegnen, doch wir spürten, dass sie inzwischen fort waren.
    Wahrscheinlich hatten sie mittlerweile den anderen nahen Eingang zum Abgrund gefunden und stiegen hinab zu nachtschwarzen Relikten der Vergangenheit, die in der tiefsten Kluft auf sie warten mochten – jener tiefsten Kluft, die sie bisher nie gesehen hatten. Oder sie hatten sich, falls auch dieser Zugang verschüttet sein sollte, nach Norden gewandt, um den übernächsten zu suchen. Sie waren, wie wir ja wussten, teilweise unabhängig vom Licht.
    Wenn ich mich an jenen Moment erinnere, kann ich kaum erklären, was eigentlich in uns vorging, aber das Gefühl gespannter Erwartung steigerte sich enorm. Ganz sicher wollten wir dem, was wir fürchteten, nicht begegnen – und doch will ich nicht abstreiten, dass uns der lauernde, unbewusste Wunsch erregte, sie von einem Versteck aus zu beobachten. Vermutlich hatten wir unser Vorhaben noch nicht aufgegeben, einen Blick auf den Abgrund selbst zu erhaschen, obwohl jetzt ein neues Ziel dazwischengetreten war, in Gestalt des großen runden Kreises, den wir auf den zerknüllten Zeichnungen sahen. Diese Stelle erkannten wir auf Anhieb als einen ungeheuren zylindrischen Turm, der in den allerfrühesten Reliefs auftauchte, aus der Luft jedoch nur wie eine gewaltige kreisrunde Öffnung wirkte. Etwas an der beeindruckenden zeichnerischen Wiedergabe, sogar in diesen hastig gemachten Skizzen, brachte uns auf den Gedanken, dass seine unterhalb der Eisdecke verborgenen Ebenen noch immer sehr wichtig sein mussten. Vielleicht barg er architektonische Wunder, wie wir sie bis jetzt noch nicht entdeckt hatten. Nach den Gravierungen zu urteilen, die ihn zeigten, war er wohl unglaublich alt – er musste zu den ersten Bauten gehört haben, die je in der Stadt errichtet worden waren. Sollte der Turm Reliefs enthalten und sie noch erhalten sein, konnten sie sehr aufschlussreich sein. Vor allem aber mochte er eine gute Verbindung zur Oberwelt bedeuten – einen kürzeren Weg als den, welchem wir so mühsam nachspürten, und wahrscheinlich derselbe, über den auch sie in die Tiefe gestiegen waren.
    Wie auch immer, wir prägten uns den schaurigen Plan ein – der unseren eigenen völlig bestätigte – um die eingezeichnete Route zum runden Turm zurückzulegen; diesen Weg mussten unsere unbeschreiblichen Vorgänger nun schon zweimal gegangen sein. Die nächste Abstiegsmöglichkeit in den Abgrund lag wahrscheinlich weiter dahinter.
    Ich muss wohl nichts weiter über unseren Marsch dorthin berichten – auf dem wir immer noch sparsam unsere Papierschnitzelspur hinterließen –, denn er entsprach genau jenem, der uns in die Sackgasse gelenkt hatte, allerdings führte er meist dichter am Boden vorbei und manchmal sogar in Kellergänge hinab. Von Zeit zu Zeit erkannten wir in dem Schutt und Dreck unter unseren Füßen einige verstörende Spuren. Und nachdem wir das Benzin nicht länger rochen, stieg uns mehrmals für einen Moment jener andere, grässlichere und nachhaltige Gestank in die Nase.
    Nachdem der neue Weg von unserem früheren abgezweigt war, ließen wir gelegentlich den Lichtkegel einer der Lampen kurz über die Mauern streichen; nahezu überall erblickten wir die allgegenwärtigen Reliefs, die in der Tat die hauptsächliche ästhetische Beschäftigung der Großen Alten gewesen zu sein scheinen.
    Gegen 22.30 Uhr, als wir einen langen, überwölbten Korridor durchliefen,

Weitere Kostenlose Bücher