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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Pelzbekleidung und Zeltbahnen aus Lakes Lager, aber wir blieben nicht stehen, um die bizarren Fetzen zu begutachten, zu denen die Stoffe zerrissen worden waren.
    Wenig später fiel uns auf, dass die Seitengänge jetzt immer zahlreicher und immer größer wurden – vermutlich hatten wir nun das engmaschig durchhöhlte Gebiet unterhalb der höheren Vorberge erreicht. In den seltsamen Geruch mischte sich jetzt ein zweiter, kaum weniger unangenehmer Gestank – er ließ uns an Verwesung und vielleicht auch unbekannte unterirdische Pilze denken.
    Plötzlich dehnte sich der Stollen überraschend aus. Darauf hatten uns die Steinmetzreliefs nicht vorbereitet. Der Gang weitete sich seitwärts und nach oben zu einer hohen, anscheinend natürlichen ovalen Höhle mit flachem Boden, gut zwanzig Meter lang und fünfzehn breit, gesäumt mit riesigen Seitengängen, die in kryptische Finsternis fortstrebten.
    Obwohl diese Höhle aussah, als sei sie insgesamt auf natürliche Weise entstanden, stellten wir im Licht der beiden Taschenlampen fest, dass sie durch die Zerstörung mehrerer Trennwände zwischen benachbarten Tunnelwaben erweitert worden waren. Die Höhlenwände waren rau und die hohe, gewölbte Decke hing voller Stalaktiten, doch der massive Felsboden war glattgeschliffen und so vollkommen frei von Trümmern, Schutt und sogar Staub, dass sich dies keineswegs durch eine natürliche Ursache erklären ließ. Abgesehen von dem Zugang, der uns hergeführt hatte, traf dies auf die Böden aller großen Gänge zu, die von der Höhle abzweigten – wir konnten uns dies wirklich nicht erklären. Der eigenartige neue Gestank, der sich mit dem anderen Geruch vermengt hatte, war hier sehr stark, ja, so beißend, dass er den anderen Geruch vollständig überlagerte. Etwas an diesem Ort mit seinem glatt polierten, fast glitzernden Boden erfüllte uns mit einer so starken unterschwelligen Verstörung und Angst wie keine andere der Ungeheuerlichkeiten, denen wir bisher begegnet waren.
    Die Gleichmäßigkeit des direkt vor uns liegenden Tunnels, in dem sich obendrein der Kot der Pinguine häufte, ließ nicht den geringsten Zweifel aufkommen, in welchen unter all diesen gleich großen Höhleneingängen der richtige Weg führte. Trotzdem beschlossen wir, wieder Papierschnitzel auszustreuen, denn falls die Orientierung schwieriger werden sollte, konnten wir auf Fährten im Staub nun natürlich nicht mehr hoffen.
    Als wir in den Tunnel eintraten, strich der Lichtstrahl unserer Lampe über die Wände – und wir blieben wie angewurzelt stehen vor lauter Bestürzung über den absolut radikalen Wandel der Steinmetzarbeiten. Natürlich waren wir uns des großen Rückschritts in den Arbeiten der Großen Alten zur Zeit der Tunnelgrabung bewusst und hatten auch die nachlassende Kunstfertigkeit der Ornamente in den zurückliegenden Abschnitten bemerkt. Doch jetzt, in diesem tieferen Teil hinter der Höhle, trat ein Unterschied auf, der sich jeder Erklärung entzog – ein so jäher Unterschied in der grundlegenden Methode wie auch in der künstlerischen Güte, der sich in einem derart kläglichen Verfall handwerklichen Könnens niederschlug, dass er uns völlig überraschte.
    Diese neuen Arbeiten waren ungeschickt, klobig und ohne die geringsten filigranen Details. Sie waren übermäßig tief in die Tunnelwände eingeschlagen, in derselben Höhe wie die in den früheren Abschnitten, doch diese Reliefs hier schlossen nicht bündig mit der Wandoberfläche ab. Danforth meinte, es könnte sich um überarbeitete Darstellungen handeln – eine Art Palimpsest, das nach der Beseitigung vorangegangener Reliefs geschaffen worden war. Sie waren schlicht, rein dekorativ und bestanden aus groben Spiralen und Winkeln in der mathematischen Tradition der Großen Alten, die auf der Zahl Fünf beruhte, doch wirkten sie eher wie eine Parodie als eine Fortführung dieses Brauches.
    Wir konnten uns des Gedankens einfach nicht erwehren, dass sich in die Ästhetik dieser Arbeit ein unklares, aber tiefgreifendes fremdes Element eingeschlichen hatte – und dieses fremde Element könnte auch der Grund für die beflissene Überarbeitung der alten Steinmetzarbeiten sein, vermutete Danforth. Diese Reliefs ähnelten zwar der Kunst der Großen Alten, so wie wir sie kennengelernt hatten, zugleich aber auch nicht. Ich fühlte mich ständig an Mitteldinge wie die plumpen, den römischen Stil nachäffenden Bildhauerarbeiten aus Palmyra in Syrien erinnert. Vor einem dieser Friese lag auf

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