Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
aus dem reichlich Schutt entfernt worden war. Sobald wir ins Dunkel marschierten, streuten wir wieder unsere Wegmarkierungen aus – zusätzliches Papier hatten wir mit Widerwillen einem der verschnürten Bündel auf dem Schlitten entnommen.
Als der vereiste Boden von angehäuftem Geröll unterbrochen wurde, erkannten wir einige deutliche Schleifspuren; und einmal entdeckte Danforth einen klar erkennbaren Abdruck von einer Art, den zu beschreiben wohl völlig überflüssig ist. Wir folgten den Pinguinschreien, die unserer Karte nach genau zur der etwas nördlicheren Tunnelöffnung führen mussten. Erleichtert stellten wir fest, dass wir die Kellergeschosse durch eine anscheinend freie Unterführung ohne Brücken durchqueren konnten. Der Tunnel musste im Keller eines großen pyramidenförmigen Bauwerks beginnen, das wir von unserem Erkundungsflug her vage als bemerkenswert gut erhalten in Erinnerung hatten. Unterwegs erhellte unsere Taschenlampe die übliche Fülle von Reliefs, doch wir hielten nicht inne, um sie uns anzusehen.
Plötzlich schälte sich vor uns ein aufgeblähter weißer Umriss aus dem Dunkel und wir ließen unsere zweite Lampe aufflammen. Seltsam, wie schnell diese neue Suche die frühere Angst vor dem, was ganz in der Nähe lauerte, verdrängt hatte. Die anderen hatten sich gewiss vorgenommen, nach der Erkundung des Abgrundes ihre Beute zu holen, die sie auf dem großen Rundplatz zurückgelassen hatten – dennoch hatten wir alle Vorsicht ihnen gegenüber vergessen, so als hätte es sie niemals gegeben.
Dieses weiße watschelnde Ding war volle 1,80 m groß, aber wir erkannten sofort, dass es nicht zu jenen anderen gehörte, denn diese waren größer und dunkel, und den Bildern zufolge bewegten sie sich am Land rasch und sicher, trotz der seltsamen, dem Tiefseeleben dienlichen Tentakel. Doch es wäre müßig zu behaupten, dass das weiße Etwas uns nicht zutiefst entsetzte. Ja, uns durchzuckte einen Augenblick lang eine primitive Panik, die fast tiefer ging als die schlimmsten unserer begründeten Ängste vor jenen anderen.
Dann folgte die Sekunde der Erleichterung, als die weiße Gestalt in einen Seitengang schlurfte, um sich zwei Artgenossen anzuschließen, die sie mit heiseren Tönen herbeigerufen hatten. Denn es war nur ein Pinguin – wenn auch von einer riesigen, unbekannten Gattung, größer als die mächtigsten der bekannten Kaiserpinguine und durch ihren Albinismus und der völligen Augenlosigkeit einfach monströs.
Als wir dem Geschöpf in den Bogengang gefolgt waren und das Licht beider Taschenlampen auf die unbekümmerte, uns gegenüber achtlose Dreiergruppe richteten, sahen wir, dass sie allesamt augenlose Albinos derselben unbekannten und riesigen Pinguingattung waren. Ihre Größe gemahnte uns an einige der urzeitlichen Pinguine, die wir auf den Reliefs der Großen Alten gesehen hatten, und wir schlossen sofort, dass sie zur selben Rasse gehörten – und die ihr Überleben fraglos dem Rückzug in wärmere Erdtiefen verdankten, in deren ewiger Finsternis ihre Pigmente verschwunden und ihre Augen zu bloßen nutzlosen Schlitzen verkümmert waren. Dass ihr jetziger Lebensraum jener gewaltige Abgrund war, nach dem wir suchten, bezweifelten wir nicht einen Augenblick lang; und dieser Beweis für die bis heute fortwährende Wärme und Bewohnbarkeit des unterirdischen Schlundes weckte in uns absonderlichste und verstörende Fantasien.
Wir fragten uns auch, was diese drei Vögel veranlasst haben mochte, sich aus ihrem vertrauten Gebiet hervorzuwagen. Der Zustand und die Stille der großen toten Stadt machten deutlich, dass sie niemals, zu keiner Jahreszeit, als Brutplatz der Tiere gedient hatte, und die offenkundige Gleichgültigkeit des Trios uns gegenüber ließ es fraglich erscheinen, ob sie durch jene anderen aufgescheucht worden waren. Konnte es sein, dass die anderen die Pinguine angegriffen hatten? Vielleicht hatten sie versucht, ihre Fleischvorräte aufzustocken? Wir bezweifelten, dass der beißende Geruch, der den Hunden so verhasst gewesen war, eine vergleichbare Abneigung bei den Pinguinen erweckte, da deren Vorfahren offenkundig einvernehmlich mit den Großen Alten zusammengelebt hatten – ein friedliches Verhältnis, das da unten fortbestand, solange noch einer der Großen Alten dort verweilte. Wir bedauerten – in einem Aufflackern unseres alten wissenschaftlichen Geistes –, diese anomalen Kreaturen nicht fotografieren zu können, und überließen sie einfach ihrem
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