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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Trümmern.
    Nördlich des Flusses gab es Spuren elenden Lebens – menschenerfüllte Fischerhallen in der Water Street, rauchende Schornsteine und ausgebesserte Dächer hie und da, gelegentlich ein Geräusch unbekannten Ursprungs und vereinzelte schlurfende Gestalten auf den verwahrlosten Straßen und ungepflasterten Gehwegen –, doch das erschien mir noch bedrückender als die Verlassenheit im Süden. Ein Grund dafür war, dass die Menschen hier noch abstoßender und missgebildeter als jene wirkten, die ich in der Stadtmitte gesehen hatte; und so wurde ich mehrere Male bösartig an etwas gänzlich Unwirkliches erinnert, das ich nicht recht einzuordnen wusste. Zweifelsohne war der fremdländische Einfluss in der Bevölkerung von Innsmouth hier noch stärker ausgeprägt als weiter landeinwärts – möglicherweise war der ›Innsmouth-Look‹ eher eine Krankheit als ein Rassemerkmal, was bedeutet hätte, dass in diesem Bezirk die weiter fortgeschrittenen Fälle untergekommen waren.
    Eine Einzelheit, die mich störte, war die Verteilung der wenigen schwachen Laute, die ich vernahm. Naturgemäß hätten sie alle aus den sichtlich bewohnten Häusern kommen müssen, doch in Wirklichkeit drangen gerade die lautesten meistens hinter den am festesten vernagelten Häuserfassaden hervor. Es knirschte und trippelte, und ich vernahm raue verdächtige Geräusche; und voller Unbehagen dachte ich an die verborgenen Tunnel, die der Junge im Lebensmittelgeschäft angedeutet hatte. Plötzlich ertappte ich mich dabei, dass ich mir die Frage stellte, wie die Stimmen der Einwohner wohl klingen mochten. Ich hatte in diesem Viertel bislang niemanden sprechen gehört und war unerklärlicherweise erpicht darauf, dass dem auch so blieb.
    Nachdem ich nur lange genug innegehalten hatte, um mir die beiden schönen, aber verfallenen Kirchen in der Main und der Church Street anzusehen, verließ ich eilends dieses abscheuliche Küsten-Elendsviertel. Mein nächstes vorgesehenes Ziel war der neue Kirchplatz, aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu überwinden, wieder an der Kirche vorbeizugehen, in deren Kellertür ich die unerklärlich Furcht erregende Gestalt jenes sonderbar gekrönten Priesters oder Pastors gesehen hatte. Außerdem hatte der junge Mann im Lebensmittelladen mir erzählt, dass die Umgebung der Kirchen sowie der Halle des Dagon-Ordens für Fremde nicht zu empfehlen sei.
    Demgemäß hielt ich mich nördlich, ging die Main Street entlang bis zur Martin Street, wandte mich dann landeinwärts, überquerte die Federal Street nördlich des neuen Kirchplatzes und gelangte in die verfallene patrizische Wohngegend der nördlichen Broad Street sowie Washington, Lafayette und Adams Street. Wenngleich diese stattlichen alten Alleen schlecht erhalten und ungepflegt waren, war ihre von Ulmen überschattete Würde doch nicht völlig verschwunden. Ein Herrenhaus nach dem andern fesselte meinen Blick, die meisten davon baufällig und vernagelt inmitten vernachlässigter Grundstücke stehend, doch in jeder Straße zeigten ein oder zwei von ihnen Anzeichen der Bewohnung. In der Washington Street gab es in einer Reihe vier oder fünf Häuser in ausgezeichnetem baulichen Zustand mit sorgfältig gepflegten Rasen und Gärten. Das prächtigste dieser Häuser – mit weitläufigen französischen Gärten voller Terrassen, die sich bis hinaus zur Lafayette Street erstreckten – hielt ich für das Heim des alten Marsh, des krankheitsgeplagten Raffineriebesitzers.
    Auf all diesen Straßen war kein einziges Lebewesen zu sehen und ich wunderte mich über das völlige Fehlen von Katzen und Hunden in Innsmouth. Was mich ebenfalls verwirrte, war die Tatsache, dass selbst bei manchen der besterhaltenen Herrenhäuser viele Fenster im oberen Stockwerk und im Dachgeschoss dicht verriegelt waren. Verstohlenheit und Heimlichtuerei schienen in dieser schweigenden Stadt der Entfremdung und des Todes allgegenwärtig zu sein, und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, von allen Seiten aus dem Hinterhalt von verschlagenen, starren Augen, die sich nie schlossen, beobachtet zu werden.
    Ich erschauderte, als eine gesprungene Glocke aus einem Turm zu meiner Linken dreimal schlug. Zu gut erinnerte ich mich der kleinen Kirche, aus der ebensolche Töne hervorgedrungen waren. Ich folgte der Washington Street bis zum Fluss und fand mich in einem früheren Industrie- und Gewerbegebiet wieder; ich bemerkte die Ruinen einer Fabrik vor mir und sah weitere dahinter, und jenseits

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