Chronik einer Trennung (German Edition)
Stimme.
Plötzlich umarmte sie ihn. Ein großartiges Glücksgefühl überkam ihn. Er musste noch ein paar Tränen aus sich herauspressen, denn je länger er weinen würde, desto länger würde dieser wunderschöne Augenblick andauern.
Der Weg Gottes
Das schwarze Hemd sah ein wenig nach Beerdigung aus und von der Stimmung, na ja, die war irgendwo zwischen tiefer Depression, neuer Hoffnung und Glück.
Die Hose wiederum war gräulich, weil sie schon so oft getragen und gewaschen wurde. Von der ursprünglichen schwarzen Farbe war nicht mehr viel übrig. Das Hemd selbst fand er eigentlich ziemlich hässlich, aber auch dafür galt dieselbe Begründung wie für die Hose und deswegen musste auch das getragen werden, zumindest heute.
Es war das einzige , was ihn wirklich noch mit Maria verband, die Dinge die sie ihm geschenkt hatte.
Er stand vor dem Spiegel und sah sich darin an, jetzt schon ganze zehn Minuten.
Es war ein sehr emotionaler Moment für ihn. Es war der Moment, in dem er zum ersten Mal seit zwei Wochen, wieder die Klamotten von ihr trug. Es war ein Zeichen für sie, für Maria, das er sie überwunden hatte.
Er starrte immer noch in den Spiegel. Sie hatte ihm die Kleidung geschenkt und sie würde sehen, dass er sie trug, sie würde es bemerken. Er wünschte es sich so sehr, dass sie es bemerkte. Es war ihre Kleidung und sie fand sie stand ihm, sie fand ihn attraktiv darin, genau in dieser Hose und in genau diesem Hemd.
„ Gott, lass sie es sehen, lass sie mich wieder sehen!“, sprach Christian zu Gott. Immer öfter tat er das seit dem gestrigen Tag. Gott gab ihm halt. Als er am vorherigen Tag, nach seinem emotionalen Ausbruch, zurück in der Schule war, hatte er dort eine Art Offenbarung gehabt. Die Sonne strahlte ins Klassenzimmer, erleuchtete alles um ihn herum. Es war als würde ihm jemand sagen:
„ Gib die Hoffnung nicht auf, ich bin immer bei dir!“
Doch das war noch nicht das einzige Zeichen gewesen, welches er bekommen hatte. Das andere war Amin, dem er auf dem Nachhauseweg begegnet war.
Christian war in Gedanken bei der Offenbarung gewesen, die er im Klassenzimmer gespürt hatte, als Amin ihn aus diesen Gedanken trieb.
Amin war im ganzen Jahrgang bekannt für seine Hingabe und für seinen Glauben an Gott. Von Dingen wie Alkohol, Zigaretten oder leicht bekleideten Frauen, hielt der sportliche Zwanzigjährige gar nichts.
Amin gehörte zu jenen Menschen, di e gefragt, oder auch ungefragt, sehr gerne ihre, und seinem Fall auch teils radikale Meinung, äußerten. Und so hielt er Reden über eine `kranke Gesellschaft` und sprach dabei über die `Notwendigkeit` Elemente auszuschalten, die der Gesellschaft erheblichen Schaden zufügten. Er hetzte gegen Schwerverbrecher, Drogendealer, untreue Ehefrauen, Abtreibungen und Homosexuelle, die er jedoch als heilbar einstufte.
Schon seit dem Morgen, als Christian alleine im Flur auf dem Boden gesessen hatte, hatte Amin das Gefühl gehabt mit Christian reden zu müssen. Er musste einem Menschen der unglücklich und verloren war, den richtigen Weg weisen, ihm Helfen zu Gott zu finden. In der Pause ergab sich für ihn keine Möglichkeit mit dem so unglücklichen Christian zu sprechen. Amin gab jedoch nicht auf und wartete nach dem Unterricht auf ihn.
„Ich habe gehört, dass Maria nicht mehr mit dir zusammen ist, sondern mit Andreas. Ich habe bemerkt, dass es dir sehr schlecht dabei geht.“
„ Ich verspüre keinen Hass gegen Andreas oder Maria, ich bin nur unendlich traurig“,
entgegnete Christian darauf und dann sagte Amin etwas, was Christian aufhorchen ließ:
„ Wenn es mir schlecht geht, dann bete ich. Gott oder Allah, der Name spielt ja keine Rolle, ist überall und wenn es einem schlecht geht, dann zeigt er ihm den Weg. Und verzeihen ist etwas sehr schönes. Nur wer verzeihen kann, der ist ein wahrer Mensch. Dass du keine Wut empfindest gegen deine Freunde, macht dich zu diesem Menschen. Dir ist sehr Schreckliches angetan worden, aber dein Benehmen ist trotzdem sehr würdig.“
„ Die Anderen im Jahrgang sagen mir, ich solle Andreas verprügeln, doch ich kann es einfach nicht! Du bist der Einzige, der mir bisher davon abgeraten hat“, antwortete Christian voller Begeisterung. Bisher hatte er Amins Glauben ehe spöttisch gesehen, sich mit Andreas sogar manchmal darüber lustig gemacht, doch jetzt war dies anders. Es konnte kein Zufall sein, dass Amin gerade in dem Augenblick auftauchte, in dem ihn Christian so dringend
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