Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
können, ritten sie durch einen steinernen Bogen ins Freie hinaus, unter den weiten Nachthimmel. Gierig sog er die frische, kalte Luft in sich hinein.
»Wir sind droben«, sagte Cluaran leise. Vor ihnen zeichnete sich vor dem schwarzen Himmel etwas noch Schwärzeres ab, zu glatt und eckig, um ein Hügel zu sein. Cluaran gebot ihnen mit erhobener Hand zu warten und ritt langsam weiter. Im selben Augenblick ging über ihnen der Halbmond auf und erhellte die Nacht.
Sie standen zwischen den Ruinen eines alten Tempels. Seine Säulen lagen umgestürzt auf dem felsigen Boden, doch ihnen gegenüber stützte eine Reihe schlanker Marmorsäulen vor einer senkrechten Felswand eine Art steinernes Vordach. Zu den Seiten hin fiel der Hügel steil nach unten ins Dunkel ab. Cluaran führte sie zwischen den umgestürzten Säulen hindurch. Adrian meinte, vor sich zwischen den noch stehenden Säulen ein noch dunkleres Viereck zu erkennen. Führte hier eine Tür in die Erde?
Hinter ihnen donnerten Hufe.
»Da rein!«, zischte Cluaran und zeigte auf den Eingang zwischen den Säulen. »Schnell!«
Adrian riss an den Zügeln und versuchte sein Pferd zum Weitergehen zu bewegen. Es war misstrauisch und scheute vor den dunklen Schatten zurück. Adrian stieß ihm die Fersen in die Flanken und es machte einen Satz nach vorn und hätte ihn fast aus dem Sattel geworfen.
»Beeilt euch!«, rief Cluaran.
Dicht gefolgt von Elsa ritt Adrian durch das steinerne Portal. Es schien wie in einem überirdischen Licht zu erstrahlen, und einen Augenblick lang wusste Adrian nicht, ob er es wirklich sah oder es sich nur einbildete. In dem seltsamen weißen Schein sah er, dass er sich in einer steinernen Kammer befand, die sich steil zu einem schwarzen Tunnel hin absenkte. Die Wände der Kammer waren auf beiden Seiten von oben bis unten mit verschlungenen Linien und Kritzeleien bedeckt. Runen? Adrian lief eine Gänsehaut über den Rücken. Wessen Hand hatte an diesem von den Göttern verlassenen Ort solche Zeichen eingeritzt?
Er drehte sich um, um sich zu vergewissern, dass Elsa ihm gefolgt war, und sah die Reiter auf der anderen Seite der Tempelruinen aus dem Tunnel preschen. Er hörte wütendes Gebrüll, sah gezückte Schwerter im Mondlicht blitzen und erstarrte. Cluaran wendete sein Pferd und schrie etwas in einer Sprache, die Adrian nicht kannte. Im nächsten Augenblick hielt der Sänger seinen Bogen in der Hand und hatte einen Pfeil angelegt. Doch er schoss nicht.
Elsa wendete und trieb ihr Pferd durch die umgestürzten Säulen. Aus ihrer rechten Hand wuchs leuchtend eine Klinge.
»Nicht, Elsa!«, brüllte Adrian. Sie konnte unmöglich gegen so viele kämpfen! Doch das Leuchten, das heller war denn je, schmerzte ihn in den Augen, und er musste sie schließen. Als er sie wieder öffnete, stand Elsa zwischen Cluaran und den Verfolgern. Das Kristallschwert in ihrer Hand gleißte wie ein Materie gewordener Blitzstrahl.
Die Wächter hielten verwirrt an und ihre Pferde scheuten vor dem grellen Schein zurück. Doch Elsa griff sie nicht an. Stattdessen hob sie das Schwert und schlug nach einer der Säulen, die den Eingang zur Höhle stützten.
Die Klinge schnitt durch den Stein. Ganz langsam neigte sich das Vordach zusammen mit der oberen Säulenhälfte nach vorn. Elsas Pferd machte einen Satz zurück. Elsa und Cluaran ritten in die Kammer und drängten Adrian zur Seite. Als er über die Schulter blickte, sah er das entsetzte Gesicht eines Wächters, dessen Pferd sich panisch aufbäumte, während vor ihm das Vordach auf den Boden krachte und den Eingang dahinter versperrte.
Dunkelheit umfing sie, erhellt nur vom erlöschenden Schein des Kristallschwerts. Der muffige Geruch von feuchter Erde und Pferdeschweiß stieg Adrian in die Nase. Die Pferde drängten sich unruhig aneinander.
Elsa beugte sich über den Hals ihrer Stute, streichelte sie mit der linken Hand und hielt das Schwert von ihr weg.
»Beruhigt sie sich wieder?«, flüsterte sie.
Adrian nickte. »Sie hat nur einen Schreck bekommen«, sagte er. Er konnte den Blick nicht von dem erlöschenden Schwert abwenden, das die Höhle mit einem kalten Licht erfüllte. Durch die verschwimmende Klinge sah er die Felswand dahinter.
Cluaran drängte sein Pferd neben das von Elsa. Er starrte das Schwert an, als könnte er seinen Blick nie mehr davon lösen. Er streckte die Hand aus, doch bevor sie die Klinge berührte, ließ er sie wieder sinken, wandte sich ab und ritt zum Tunnel im hinteren Teil der
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