Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
Tagesanbruch war, beschäftigte sich Cluaran damit, die Überreste des Feuers zu zerstreuen. Elsa half Wulf, das Bettzeug aufzurollen. Die anderen standen unterdessen auf. Der Morgen dämmerte grau und kalt herauf.
Sobald es hell genug war, um einigermaßen zu sehen, machten sie sich auf den Weg.
Wulf war als Einziger bestens gelaunt. Er rannte voraus, um einen weiteren Bildstock zu betrachten und nach Eichhörnchen Ausschau zu halten, und erzählte Elsa und Adrian, was er gesehen hatte. Cluaran ging neben Eolande. Der Wald schien die beiden nicht mehr zu erfreuen wie noch am Tag zuvor. Elsa war Wulf noch wegen des Streichs der vergangenen Nacht böse, und sogar Adrian wirkte angespannt und gab auf Wulfs Fragen nur einsilbige Antworten. Es war, als hätte sich eine dunkle Wolke über die Gruppe gesenkt.
»Merkst du, wie still es ist?«, fragte Adrian Elsa nach einer Weile. »Kein einziger Vogel.«
Er hatte Recht. Bei ihrem Aufbruch hatten überall in den Baumwipfeln Vögel gezwitschert. Jetzt war kein Einziger mehr zu hören.
Der Weg wurde breiter, der Wald endete, und sie gelangten unversehens auf eine größere, nach Südosten verlaufende Straße. Sie hielten an und sahen sich um.
Zahlreiche Füße hatten den Dreck der Straße aufgewühlt und einen Teil der Wiese daneben niedergetrampelt. Im Straßengraben auf ihrer Seite lagen Brotstücke und ein grauer Stofffetzen mit Flecken, die von Blut stammen konnten. Etwas weiter entfernt, an einer Stelle, an der die Reisenden offenbar haltgemacht hatten, waren die Bäume am Straßenrand verkohlt und ihre unteren Äste abgerissen. Ein junger Schössling war mitsamt den Wurzeln aus der Erde gezogen und teilweise verbrannt worden. Außerdem lagen eingeschlagene Fässer und Tierkadaver herum, einige davon zur Hälfte gegessen.
Cathbar beugte sich über die Spuren. »Diese Leute waren vermutlich gestern hier, vielleicht vergangene Nacht«, sagte er. »Sie werden uns nicht mehr hören können, aber vermutlich lagern sie irgendwo vor uns. Es sind einige Dutzend, würde ich sagen. Ihre Spuren bedecken die ganze Straße.«
»Um wen könnte es sich handeln?«, fragte Adrian. »Sind Straßenräuber in so großen Gruppen unterwegs?«
»Normalerweise nicht, aber wir leben nicht in normalen Zeiten. Ich wette, hinter diesen Spuren verbirgt sich mehr, als sich auf den ersten Blick zeigt.« Stirnrunzelnd betrachtete Cathbar die Tierkadaver und den anderen Abfall. »Wir müssen jedenfalls vorsichtig sein.«
Hintereinander gingen sie an der Straße entlang, die Fußspuren und den Abfall der Männer vor ihnen ständig im Blick. Plötzlich blieb Cathbar, der vorausging, mit einem unterdrückten Ausruf stehen. Im Graben vor ihm lag mit dem Gesicht nach unten ein Mann.
Elsa eilte zu Cathbar, die anderen folgten. Cathbar schüttelte den Kopf.
»Er scheint unvorsichtig geworden zu sein, obwohl er immer von Vorsicht gesprochen hat«, sagte er bekümmert. »Leider konnten wir ihm nicht helfen.«
Bei dem Toten handelte es sich um den Händler Menobert. Cathbar drehte ihn um. Seine Augen standen offen, auf seinem Gesicht lag ein überraschter Ausdruck, und er hatte eine große Wunde in der Brust.
Seine Mörder hatten ihn nicht einmal ausgeraubt. Die mit Münzen gefüllte Börse hing noch an seinem Gürtel. Neben der Leiche lag sein Ranzen. Einige Schwerthiebe hatten ihn gespalten, Stoffpäckchen und billiger Schmuck aus Blech hatten sich im Schmutz verteilt.
7. KAPITEL
Der Schnee war geschmolzen, doch der Boden zu hart, um Menobert zu begraben, selbst wenn sie eine Schaufel dabeigehabt hätten. Sie sammelten Steine vom Mäuerchen einer Wiese, das der Haufen vor ihnen im Vorüberziehen zerstört hatte, und Adrian half Cathbar und Cluaran, am Straßenrand einen Steinhaufen über der Leiche des Händlers aufzuschichten.
»Es ist das Mindeste, was wir für ihn tun können«, sagte Cathbar, als sie fertig waren. »Er war der Erste, den wir in diesem Land kennengelernt haben – und ein guter Reisegefährte.«
Sie standen eine Weile vor dem provisorischen Grab. Elsa hatte die Kapuze ihres Mantels abgesetzt und starrte angestrengt auf den Steinhaufen und Adrian hörte sie leise etwas murmeln. Dann setzte sie die Kapuze wieder auf und sie zogen weiter. »Ein Gebet für die Toten«, sagte sie kurz angebunden zu Adrian. »Er war Franke – ein Christ wie mein Vater.«
Sie verfiel wieder in Schweigen.
Für ihren Vater hat es weder Gebete noch einen Steinhaufen gegeben, dachte Adrian.
Sie
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