Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
gezogen und hilft dort seinem Cousin in Northumbria gegen Plünderer aus Gwynedd, einem alten Gegner. Ich werde ihn von der bedrohlichen Lage hier benachrichtigen. Sobald er das weiß, wird er zurückkehren und sich mit Euch verbünden.«
Sie entließ die Wachen, begleitete Aagard persönlich zur Tür und sah ihm mit zum Abschied erhobener Hand nach. Hoffentlich beeilt sich der Bote, der zu Heored ausgesandt wurde, dachte Aagard, und hoffentlich reagieren die anderen Könige genauso schnell auf die Gefahr. Dann können wir Lokis Armeen vielleicht an der Küste zurückschlagen.
Doch wo steckte der Dämon selbst? Seit Tagen schon hatte Aagard die feurige Erscheinung in seinen Visionen nicht mehr gesehen.
»Er ist überall und nirgends«, murmelte er. »Und wenn er sich Elsa zeigt – was kann sie tun?«
Stumm ritt er weiter.
Elsa hatte den ganzen Tag ein Pochen in der Hand gespürt. Doch von dem Leuchten, mit dem das Kristallschwert sich sonst angekündigt hatte, war gar nichts zu sehen und Ioneths Stimme war wieder verstummt. Elsa konnte tun, was sie wollte, sie hörte in ihrem Kopf nicht das leiseste Flüstern. Seit Tagen waren sie jetzt unterwegs und suchten, aber von Loki keine Spur. Der hässliche Bildstock am Straßenrand schien sie zu verspotten und erinnerte sie an das brennende Gesicht des Dämons, doch Adrian hatte Recht: Das Bildnis konnte genauso gut eine lokale Gottheit darstellen. Sie war zwar überzeugt davon, dass Loki sich im Wald aufgehalten hatte – nur wo er jetzt war, wusste sie nicht.
In ihre Enttäuschung mischte sich Erleichterung. Was konnte sie tun, wenn sie ihn fanden und Ioneth nicht zurückgekehrt war?
Einmal hatte sie sich eingebildet, die leise Stimme wieder zu hören – nach der Rettung Wulfs, als sie die Hand zu ihm ausgestreckt und erfahren hatte, dass er seine Eltern verloren hatte. Ganz kurz hatte Ioneth in ihrem Kopf aufgeschrien und in der Hand gebrannt, mit der Elsa den Jungen berührte. Elsa meinte zu wissen, warum. Der Junge hatte genau wie Ioneth seine Eltern verloren, an dasselbe Ungeheuer. In diesem Augenblick hatte Elsa sich gelobt, ihn zu beschützen, bis sie eine sichere Bleibe für ihn gefunden hatten. Es war ein Trost, wenigstens diese überschaubare Aufgabe zu haben, falls sie gegen Loki scheiterten.
Wulf hatte sie beim Gehen an der Hand gehalten, aber sie hatte ihre Hand zurückgezogen, als das Pochen zu unangenehm wurde. Stattdessen nahm dann Adrian, der neben ihnen ging, den Jungen an der Hand. Elsa lächelte ihn an. Er hätte sie nicht begleiten müssen – er hatte in Sussex ein reiches Zuhause, ein ganzes Königreich sogar. Bei dem Gedanken, dass ihr ruhiger, nachdenklicher Freund eines Tages wie sein Vater ein Heer befehligen würde, musste sie immer noch ein Lachen unterdrücken. Doch jetzt stapfte er frierend und müde neben ihr her und half bei ihrer aussichtslosen Suche. Nicht einmal einen Mantel hatte er an. Wulf trug Adrians dicken Pelz, der ihm fast bis zu den Füßen reichte, während Adrian sich wie ein Bettler in seine Schlafdecke gewickelt hatte.
»Mir ist vom Laufen heiß«, sagte sie einem spontanen Einfall folgend zu ihm. »Kannst du meinen Mantel eine Weile nehmen?«
»Dir wird bald wieder kalt sein«, warnte er sie, ließ sich dann aber doch überreden und nahm den schweren Mantel. Elsa spürte, wie der kalte Wind durch ihre wollenen Ärmel pfiff.
Wie musste Adrian gefroren haben! Die Sonne stand bereits hoch am wolkenlosen Himmel, wärmer würde es an diesem Tag nicht werden.
Die Bäume wurden wieder zahlreicher und zuletzt liefen sie wieder durch gesunden Wald. Elsa fand das Dämmerlicht bedrückend und konnte den erstickenden Staub und die verkohlten Stümpfe nicht vergessen. Sie hielt sich in Adrians Nähe, der immer gleich gut gelaunt schien. Wulf hatte wieder ihre Hand genommen. Die pochenden Schmerzen in ihrer rechten Hand waren inzwischen ihr ständiger Begleiter geworden, immer knapp über der Wahrnehmungsschwelle und gelegentlich heftig stechend, als fahre ein Blitz ihren Arm hinauf. Sie überlegte zum hundertsten Mal, ob das bedeutete, dass auch Ioneth stärker wurde, und lauschte vergeblich auf die Stimme in ihrem Kopf.
Schließlich gab sie es auf. »Adrian«, sagte sie, »glaubst du, wir finden ihn überhaupt?«
Adrian fragte nicht, wen sie meinte. Er schwieg lange Zeit. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Manchmal scheint es mir unmöglich. Wir können ihn ja nicht verfolgen wie einen Straßenräuber
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