Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
sagte er.
Ein erbitterter Kampf hatte stattgefunden. Straße und Wiese waren zertrampelt und nicht mehr voneinander zu unterscheiden und überall lagen Männer herum.
»Sie sind alle tot!«, flüsterte Adrian entsetzt. »Wir müssen einen anderen Weg nehmen.«
»Es gibt keinen«, sagte Cathbar grimmig.
Sie gingen zur Kuppe des Hügels weiter und sahen den Ort des Gemetzels. Zugleich schlug ihnen Gestank entgegen. Adrian würgte. Elsa wurde kreideweiß, zog Wulf an sich und hielt ihm die Augen zu. Wulf versuchte sich von ihr loszumachen.
»Ein ungleicher Kampf, würde ich sagen.« Cathbar klang düster. Kundig ließ er den Blick über das Schlachtfeld wandern. »Die mit den ledernen Brustpanzern – seht, da und da – haben Schilde und die besseren Schwerter. Sie kommen ihrem Aussehen nach zu schließen aus dem Ausland und sind Gefolgsleute eines adligen Herrn. Von ihnen sind nur wenige gefallen, von den anderen dagegen viele, also haben die Fremden hier gesiegt.«
»Warum haben sie dann ihre Toten nicht begraben?«, fragte Adrian heiser.
Cathbar blickte ihn voller Mitgefühl an. »Die ersten paar Mal setzt es einem furchtbar zu«, sagte er, »aber man gewöhnt sich daran. Kommt – wir müssen jetzt weiter.«
Er ging den Hang hinunter und suchte sich einen Weg zwischen den Leichen hindurch. Adrian sah Elsa an, in deren Augen das blanke Entsetzen zu lesen war. Sie kam zu ihm. Wulf zog sie hinter sich her. Gemeinsam folgten sie Cathbar.
»Sieh mal hier«, sagte Cathbar zu Adrian und zeigte auf den Wald, der rechts von ihnen in einiger Entfernung von der Straße begann. »Siehst du die vielen Fußabdrücke? Die Besiegten sind geflohen und haben versucht, sich im Wald zu verstecken – und die Ausländer haben sie verfolgt. Deshalb sind sie jetzt nicht hier.«
Er wollte sie von dem Grauen um sie herum ablenken und Adrian war ihm dafür dankbar. Doch dann erregte etwas seine Aufmerksamkeit – der Schild eines toten Kriegers. Ihm war vor Ekel übel und schwindlig, doch er blieb stehen, um das Rüstungsstück genauer zu betrachten.
»Sie töten erst noch alle Fliehenden, die sie einholen können, und kehren dann zurück, um ihre gefallenen Kameraden zu begraben«, sagte Cathbar. »Es sei denn, sie sind Barbaren, die keinen Respekt vor den Toten kennen …«
»Nein. Sie werden zurückkehren.« Adrian hörte seine Stimme wie von fern. Er zeigte auf den Schild des Toten. Statt eines Buckels befand sich in der Mitte das in Metall geritzte Abbild eines Vogels, eines großen Seevogels mit ausgebreiteten Schwingen. Adrian nestelte am Kragen seines Mantels. Darunter kam die Brosche zum Vorschein, die er stets trug. Sie zeigte denselben Vogel in Silber.
»Hier liegt ein Krieger aus Sussex«, sagte er. »Ein Gefolgsmann meines Vaters.«
»Aber was haben Leute deines Vaters hier zu suchen?«, wollte Elsa wissen.
Adrian stellte sich dieselbe Frage. Er hatte seinen Vater seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Die Vorstellung, ihm hier zu begegnen, mutete ihn an wie ein seltsamer Traum. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
Sie hatten sich einige Meilen vom Schlachtfeld entfernt und lagerten am Fuß eines steilen Hügels, der einigen Schutz vor dem abendlichen Wind bot. Wulf versorgte das Feuer mit Stöcken. Nur ihm allein schienen die grauenhaften Bilder, die sie gesehen hatten, nichts auszumachen. Adrian hätte gern gewusst, was der Junge in seinem kurzen Leben schon alles durchgemacht hatte. Cathbar und Cluaran stritten sich unnötig heftig, wie Adrian fand, über den Weg, den sie nehmen sollten. Am stärksten hatte der Anblick der Gefallenen Eolande mitgenommen. Ohne nach rechts oder links zu blicken, hatte sie das Schlachtfeld an der Hand ihres Sohnes überquert, bis sie ganz an dessen Ende gegen die Leiche eines Kriegers aus Sussex gestoßen war, eines älteren Mannes mit breiter Brust und grauem Bart. Wie versteinert hatte sie ihn angestarrt, bis Cluaran sie weggezogen hatte. Sie hatte sich nicht von ihm trösten lassen wollen und saß jetzt leise klagend etwas abseits, den Kopf in die Hände gestützt.
Cathbar hob die Stimme. »Aber es ist doch nur vernünftig! Er kann uns schützen – und uns bei der Suche helfen.«
»Woher weißt du, dass er uns glauben würde?«, erwiderte Cluaran. »Oder dass er seinem Sohn erlaubt, an einer Dämonenjagd teilzunehmen? Wir haben keine Zeit, ihn erst noch lange zu überreden!«
»Sie sprechen von deinem Vater«, sagte Elsa zu Adrian. »Willst du nach ihm
Weitere Kostenlose Bücher