Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
gesagt.
»Und du?«, fragte Adrian. »Wirst du auch rudern?« Er sagte nicht: Werden sie dafür auch eine Frau nehmen?, aber Elsa hörte die Zweifel in seiner Stimme.
»Sie werden sich um Trymmans Tochter reißen!« Sie hoffte, dass sie Recht behielt – aber selbst, wenn nicht, sie würde auf jeden Fall wieder zur See fahren. »Sonst verkleide ich mich eben als Junge«, fügte sie hinzu. »Wie damals, als wir Dumnonia verlassen haben.«
»Möglich wäre es.« Adrian klang nachdenklich. »Du müsstest dir dazu allerdings die Haare abschneiden. Sie fallen dir schon wieder über die Schultern.«
»Deine sind auch nicht kürzer …« Elsa brach ab. Adrian hatte ihr das Gesicht zugewandt. Seine Augen starrten sie leer an, aber er grinste.
»Woher weißt du, wie lang meine Haare sind?«, fragte Elsa.
Auf einem überhängenden Ast vor ihnen hüpfte ein Spatz entlang. Er hatte den Kopf schräg gelegt und sah Elsa mit einem schwarz glänzenden Auge an. Dann flatterte er auf den Boden, pickte einen Krümel neben ihrem Fuß auf und verschwand.
»Ich habe den Blick immer noch«, sagte Adrian und sein Gesicht strahlte, nicht nur wegen des Feuers. »Natürlich werde ich die Augen anderer Menschen nicht ohne ihre Zustimmung benutzen, Ehrenwort. Aber ich kann mir die Augen von Tieren und Vögeln leihen. Beim ersten Mal war alles noch so dämmrig, dass ich mir nicht sicher war – aber jetzt sehe ich mit jedem Mal deutlicher.«
»Adrian!« Elsa ließ den letzten Bissen ihres Brotes fallen und umarmte ihn. »Er kann doch sehen!«, rief sie auf den fragenden Blick ihres Vaters hin. »Er ist immer noch ein Ripente!« Und sie schlug mit den Fäusten in die Luft vor Freude. Trymman sah ihr erstaunt dabei zu.
»Aber dein Gelübde?«, fragte sie dann. Sie löschten das Feuer und schulterten zum letzten Mal ihre Bündel. »Kann man ein König sein und trotzdem ein Ripente bleiben?«
»Ja«, sagte Adrian und seine Stimme klang fest. »Mein Vater hat es nicht geglaubt, aber woher hätte er es wissen sollen? Ich habe ihm versprochen, dass ich König werde, und ich werde mein Versprechen halten. Aber ich bin nicht er, Elsa.« Er sagte es ruhig und ohne Bedauern. »Ich bin kein Feldherr und kein Eroberer. Ich habe andere Fähigkeiten, die ich gebrauchen muss, wenn ich ein guter König sein will.«
»Wir brauchen keine Eroberer mehr«, sagte Elsa, und Adrian nickte. Schweigend gingen sie eine Weile nebeneinander her. Du wirst ein guter König sein, dachte Elsa, sogar ein großer. Die Mauern von Noviomagus rückten näher und sie spürte einen Kloß im Hals. Sie versuchte nicht daran zu denken. Unsere gemeinsame Zeit gebt zu Ende.
In Noviomagus wurden sie bereits erwartet. Trymman, der vorausgegangen war, blieb stehen und sie legten die letzten Meter zur Stadtmauer gemeinsam zurück. Ein Wächter sah sie, rannte nach drinnen und rief etwas, und noch bevor sie das Stadttor erreicht hatten, erschien dort zu ihrer Begrüßung eine Frau.
Sie war schlank, hatte braunes Haar und eine fast so helle Haut wie Adrian. Mit einem Schrei eilte sie auf Adrian zu und schloss ihn in die Arme.
»Aagard hat mich benachrichtigt«, sagte sie. »Wie habe ich mich nach dir gesehnt, Adrian – ach, deine Augen …« Sie schluchzte kurz auf, ließ Adrian los und biss die Lippen aufeinander, wie Elsa es Adrian so oft hatte tun sehen.
»Willkommen«, begrüßte sie Trymman und Elsa. »Ich bin Branwen von Sussex. Ihr seid die Freunde meines Sohnes und habt ihn zu mir zurückgebracht. Dafür bin ich euch dankbarer, als Worte es ausdrücken können.«
Königin Branwen bereitete ihnen zwar keinen offiziellen Empfang wie Beotrich, war aber eine ebenso großzügige Gastgeberin. Die drei Reisenden konnten baden und erhielten frische Kleider, und anschließend wurde Adrians Rückkehr mit einem Festmahl gefeiert. Erst als sie gekleidet und gespeist waren, setzte Branwen sich zu ihnen und wollte hören, was sie erlebt hatten. Aagard hatte ihr schon von ihrem Bruder Aelfred berichtet – von seiner Verwandlung in den Zauberer Orgrim, seinem Verrat und seinem Wahnsinn. Adrian berichtete kurz über sein Ende, und seine Mutter senkte den Blick, um ihre Tränen zu verbergen. Doch dann fesselte die Geschichte der Drachen ihre ganze Aufmerksamkeit. Erregt nahm sie Adrians Hand, als er beschrieb, wie Jokul-dreki sich von dem Gletscher erhoben hatte und wie das Feuer aus dem Berg hervorgebrochen war. Elsa kam die ganze Geschichte schon unwirklich vor. Cluaran hätte sie
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