Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
hatte, verschwunden war, ohne einen einzigen Stein umzuwerfen –, war Totenstille eingekehrt. Sie hatte körperlos im Dunkeln geschwebt, im Nirgendwo. Bestimmt bin ich tot, hatte sie gedacht – doch dann war ihr Körper langsam zu ihr zurückgekehrt. Sie hatte sein Gewicht wieder gespürt und verschwommenes Licht wahrgenommen. Ihr Arm hatte unaufhörlich gepocht, Fäden aus Licht hatten sich von ihm gelöst und waren in der Luft geschwebt, und sie hatte wieder die Stimmen Ioneths und Cluarans gehört, die fast wie eine einzige Stimme klangen. Sie hatten ihr Lebewohl zugerufen und sie verlassen.
Bewegungslos hatte sie im Steinkreis auf der Erde gelegen. Neben ihrer rechten Hand lag ein silberner Panzerhandschuh.
Sie hatte nicht gewusst, was sie zu Eolande sagen sollte, die ihren Sohn verloren hatte. Eolande hatte ihnen noch geholfen, ihre Brandwunden zu verbinden, dann war sie zu ihrem Volk aufgebrochen.
»Für mich gibt es hier nichts mehr zu tun«, sagte sie leise. Elsa nahm ihre Hand und ihre Augen begannen zu brennen.
»Vielleicht kommen die beiden ja eines Tages wieder«, sagte sie verlegen. »Ich habe ihre Stimmen gehört, Eolande, und weiß, dass sie zusammen sind.«
»Er wollte es so«, sagte Eolande. Sie hielt Cluarans Ranzen in den Händen und zog ein kleines, in schwarzes Leder gebundenes Buch heraus. »Das ist die Geschichte des Schwertes. Mein Mann Brokk hat sie geschrieben und mein Sohn hat sie weitergeführt. Ich will sie beenden, damit mein Volk weiß, was er für sie getan hat – und was du und deine Freunde getan haben.«
Bevor sie ging, nahm sie Elsa und Adrian beiseite und streifte sich einen kunstvoll gearbeiteten Reif aus Holz und Metall vom Arm.
»Dieser Reif ist alles, was ich euch schenken kann«, sagte sie. »Er wurde geschaffen, um die Kraft zweier Völker zu vereinen, und sein Zauber ist immer noch stark. Wenn ihr je Hilfe braucht, legt ihn in die Nähe einer Tür. Ich werde euch hören.«
Elsa sah sie zweifelnd an. »Was werden Eure Leute dazu sagen? Ich habe erlebt, was sie von uns halten.«
»Das muss sich ändern«, sagte Eolande und für einen kurzen Moment blitzte in ihren Augen wieder der alte Kampfgeist auf. »Zweimal haben sich Menschen und Fay jetzt schon verbündet. Wenn wir es nicht getan hätten, gäbe es uns alle nicht mehr.«
Sie fasste Adrian an den Händen und küsste ihn, dann umarmte sie Elsa. »Ich werde euch nicht vergessen«, murmelte sie.
Sie zeichnete eine Tür in die Luft, trat hindurch und verschwand mitsamt der Tür.
Noch am selben Tag verließen sie den Steinkreis. Die meisten Steine waren rußgeschwärzt und der Boden unter ihnen war verbrannt und aufgewühlt, doch würde das alles mit der Zeit verschwinden. Nur die blitzenden Obsidiansplitter des Drachen am Fuß der Steintore würden dann noch von dem Kampf künden, der hier stattgefunden hatte.
Auf dem Weg zur Straße hob Cathbar einen Splitter auf und wog ihn in der Hand. »Den bringe ich meinen Kindern mit«, sagte er und steckte ihn dann in seinen Ranzen.
»Ihr habt doch gar keine Kinder!«, sagte Elsa verwirrt. »Oder?«
»Noch nicht«, erwiderte Cathbar. »Aber ich habe jetzt Zeit.« Er lächelte. »Ich habe jetzt für viele Dinge Zeit, denn ich glaube, wir müssen nicht mehr kämpfen. Obwohl ich in Übung bleiben werde.« Er tätschelte den Bogen und den Köcher, die ihm über die Schulter hingen. Es waren Cluarans Waffen. »Eolande hat sie mir gegeben, bevor sie ging«, sagte Cathbar. »Ich soll sie in Ehren halten – und das werde ich auch.« Er wurde plötzlich ernst. »Cluaran war ein tapferer Mann.«
Sie brauchten zwei Tage bis nach Venta Bulgarum, wo Cathbar auf seinen Posten als Hauptmann der königlichen Wache zurückkehren wollte. Als sie sich dem Stadttor näherten, konnte Elsa einen Schauder nicht unterdrücken. Das letzte Mal, als sie hier gewesen waren, hatten sie sich verkleidet in die Stadt geschlichen wie Diebe und um ihr Leben gebangt. Unwillkürlich suchte sie Adrians Nähe. Auch er wirkte nervös. Bestimmt hatte er noch schlimmere Erinnerungen: Sein Onkel hatte sie damals gejagt. Doch dann trat Cathbar zum Tor und grüßte die Wachen. Es stellte sich heraus, dass sie diesmal willkommen waren. Die beiden Wachen wollten ihren Hauptmann und seine Ehrengäste unbedingt beide zur Halle des Königs geleiten.
Beotrich brach eine Besprechung mit seinen Ratsherren ab, um sie persönlich zu begrüßen. Doch Elsa hatte keine Augen für den König, denn neben ihm stand ein
Weitere Kostenlose Bücher