Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
der Nephilim versteht es. Das Beste, was ihr mir zu bieten habt, ist die Zusage, mich am Leben zu lassen. Aber der Magister kann mir versprechen, dass ich unsterblich sein werde.« Und dann wandte er sich an den Klockwerk-Mann zu seiner Linken und befahl in eiskaltem Ton: »Töte ihn.«
Sofort sprang der Automat auf Jem zu. Er war deutlich schneller als die Klockwerk-Männer, denen Jem auf der Blackfriars Bridge gegenübergestanden hatte. Es blieb ihm kaum Zeit, den Hebel für die Klinge am unteren Ende seines Spazierstocks zu betätigen und die Waffe zu erheben, als sich die Kreatur auch schon auf ihn stürzte. Doch im nächsten Moment quietschte sie wie ein stark bremsender Zug, da Jem ihr die Klinge tief in die Brust rammte und zickzackförmig hin und her bewegte, bis das Metall knirschend aufriss. Laut kreischend wirbelte die Kreatur herum, während aus ihrem Rumpf ein Feuerrad aus roten Funken sprühte.
Nate, der von einigen glühenden Teilchen getroffen wurde, schrie auf und schlug hektisch nach den Flammen, die ihm Löcher in die Kleidung brannten. Sofort nutzte Jem die Gelegenheit, sprang zwei Stufen hinauf und zog Nate die flache Seite seiner Klinge mit solcher Wucht über den Rücken, dass er in die Knie ging. Schmerzverzerrt drehte Nate sich zu seiner Klockwerk-Leibwache herum, doch die Kreatur taumelte funkensprühend die Stufen hinunter. Offenbar hatte Jem einen der Zentralmechanismen getroffen und außer Kraft gesetzt. Währenddessen stand der Automat mit der Pyxis in den Händen stumm da und rührte sich nicht von der Stelle - Nate zählte eindeutig nicht zu seinen Prioritäten.
»Lasst sie los! Und tötet den Schattenjäger! Tötet ihn, habt ihr mich verstanden?!«, brüllte Nate den Klockwerk-Männern zu, die Sophie und Jessamine noch immer festhielten und nun ruckartig fallen ließen.
Jessamine und Sophie stürzten zu Boden - keuchend und hustend, aber eindeutig noch am Leben. Allerdings währte Jems Erleichterung darüber nicht lange, da die beiden Automaten nun mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zustürmten. Wütend schlug er mit seinem Spazierstock nach einer der Kreaturen, doch diese wich mit einem Sprung zurück und brachte sich außer Reichweite, während die andere Kreatur eine Hand hob - genau genommen keine Hand, sondern einen rechteckigen Metallblock, dessen Kanten mit spitzen, scharfen Sägezähnen besetzt waren ...
Plötzlich ertönte ein lauter Schrei hinter Jem - und im nächsten Moment stürmte Henry an ihm vorbei, einen schweren Säbel in der Hand. Mit einem gewaltigen Hieb ließ er die Klinge auf den erhobenen Arm der Kreatur niederkrachen und durchtrennte das Metall. Der Arm flog in hohem Bogen die Stufen hinunter, rutschte zischend und Funken sprühend über das Kopfsteinpflaster und ging dann in Flammen auf.
»Jem!«, hallte Charlottes Stimme warnend durch den Innenhof.
Hastig wirbelte Jem herum und sah, wie der andere Automat von hinten die Arme nach ihm ausstreckte. Mit einem Ruck rammte er dem Klockwerk-Mann die Klinge in die Kehle und durchtrennte die darin befindlichen Kupferröhren, während Charlotte ihm mit ihrer Peitsche die Beine wegfegte. Der Automat stieß ein hohes Pfeifen aus und brach krachend zusammen. Sofort schwang Charlotte ihre Peitsche ein weiteres Mal und vollendete ihr Werk mit grimmiger Miene. In der Zwischenzeit drehte Jem sich zu Henry um, dessen rote Haare ihm schweißgetränkt an der Stirn klebten. Langsam ließ er den Säbel sinken: Der Automat vor seinen Füßen bestand nur noch aus einem Haufen ölverschmiertem Metall.
Teile seines Klockwerk-Mechanismus lagen über den Innenhof verstreut und brannten leise vor sich hin, wie ein mit Sternschnuppen übersätes Feld. Jessamine und Sophie klammerten sich aneinander, wobei die Schattenjägerin das andere Mädchen stützte, an deren Hals dunkle Blutergüsse schimmerten. Über die Stufen hinweg trafen sich Jessamines und Jems Blicke und Jem hatte das Gefühl, dass dies womöglich das erste Mal war, dass sie über seine Anwesenheit aufrichtig erfreut schien.
»Er ist fort«, sagte Jessamine nun. »Nathaniel ist verschwunden, mit dieser Kreatur - und der Pyxis.«
»Ich verstehe das alles nicht«, stammelte Charlotte mit bestürzter Miene. »Tessas Bruder ...«
»... hat uns belogen. Alles, was er uns erzählt hat, war eine Lüge«, erklärte Jessamine. »Die Geschichte mit de Quinceys Geheimversteck diente nur dazu, euch aus dem Institut fortzulocken.«
»Oh mein Gott«, flüsterte
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