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Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Titel: Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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Tischseite stand. Dort, wo man eigentlich Blut, zerfetztes Gewebe und schreckliche Verstümmelungen hätte sehen müssen, waren nur zwei weiße, zurückgeklappte Hautlappen zu erkennen und darunter ein Korpus aus Metall. Kunstvoll zusammengesetzte Kupferplatten bildeten den Brustkorb und gingen in eine gelenkartige, biegsame Taille aus Kupfer und Messing über. Nur in der Mitte von Mirandas Brustkorb fehlte eine quadratische, etwa handgroße Kupferplatte und gab den Blick auf eine tiefe Aushöhlung frei.
    »Tessa.« Charlottes Stimme klang leise, aber eindringlich. »Will und Jem haben dies hier gefunden ... diesen Korpus. Und zwar in dem Haus, in dem man Sie gefangen gehalten hat. Das Haus war vollkommen leer, bis auf diese Gestalt. Man hatte sie in einem Raum zurückgelassen, allein.«
    Tessa, die noch immer mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen auf den Tisch starrte, nickte. »Das ist Miranda. Das Dienstmädchen der Dunklen Schwestern.«
    »Wissen Sie irgendetwas über sie? Wer sie sein könnte? Irgendetwas über ihre Vergangenheit?«
    »Nein. Nein, ich dachte ... Ich meine, sie hat ohnehin kaum mit mir gesprochen ... und wenn, dann hat sie Dinge wiederholt, die die Schwestern kurz zuvor gesagt hatten.«
    Henry schob einen Finger zwischen Mirandas Lippen und zog ihren Unterkiefer nach unten. »Sie besitzt zwar eine primitive Metallzunge, aber ihr Mund war weder zum Sprechen ausgelegt noch zum Verzehr von Nahrung. Sie hat keine Speiseröhre und vermutlich auch keinen Magen: Ihre Mundhöhle endet hinter den Zähnen in einer Metallplatte.« Er drehte den Kopf des Mädchens hin und her und inspizierte den Kiefer mit zusammengekniffenen Augen.
    »Aber was genau ist sie denn nun? Eine Art Schattenwesen oder ein Dämon?«, fragte Tessa.
    »Nein.« Henry gab Mirandas Kinn frei. »Genau genommen ist sie überhaupt kein Lebewesen, sondern ein Automat. Eine aus mechanischen Teilen zusammengesetzte Apparatur, die wie ein Mensch aussieht und sich auch so bewegt. Schon Leonardo da Vinci fertigte einen Entwurf für solch einen Maschinenmenschen an - eine mechanische Kreatur, die sitzen, die Arme bewegen und den Kopf drehen konnte. Da Vinci war der Erste, der die Ansicht vertrat, der menschliche Körper sei eigentlich nur eine komplexe Maschine und unser Inneres ähnele im Grunde Zahnrädern und Kolben und Nocken aus Muskulatur und anderem Gewebe. Also warum sollten diese nicht durch Kupfer und Eisen ersetzt werden können? Warum sollte man einen Menschen nicht konstruieren können? Aber das hier ... So etwas hätten sich Jaquet-Droz und Maillardet in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Ein wahrhaft biomechanischer Automat, der sich von selbst bewegt und steuert, eingehüllt in menschliches Gewebe.« Henrys Augen funkelten. »Ein wahres Wunderwerk.«
    »Henry, dieses Gewebe, das du so bewunderst ...« Charlottes Stimme klang angespannt. »Dieses Gewebe stammt irgendwoher.«
    Henry fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und das Feuer in seinen Augen erlosch. »Ja ... von den Leichnamen im Keller des Dunklen Hauses. Die Brüder der Stille haben sie untersucht. Den meisten dieser Leichen fehlen Organe - Herz, Leber und so weiter. Bei einigen sind auch Knochen und Knorpel und sogar die Haare verschwunden. Wir müssen wohl davon ausgehen, dass die Dunklen Schwestern die Leichname ausgeschlachtet haben, um mit den Körperteilen ihre mechanischen Kreaturen zu konstruieren. Kreaturen wie Miranda.«
    »Und wie der Kutscher«, ergänzte Tessa. »Ich glaube, der war ebenfalls so ein Automat. Aber warum sollte jemand so etwas tun?«
    »Das ist noch nicht alles«, warf Charlotte ein. »Die mechanischen Teile, die wir im Keller der Dunklen Schwestern gefunden haben, wurden von der Firma Mortmain & Company gefertigt. Die Firma, für die Ihr Bruder gearbeitet hat.«
    »Mortmain!« Tessa riss sich vom Anblick des reglosen Mädchens auf dem Tisch los. »Sie haben ihn doch aufgesucht, richtig? Was hat er Ihnen über Nate erzählen können?«
    Einen Sekundenbruchteil lang zögerte Charlotte und warf Henry einen Blick zu. Tessa kannte diesen Blick - es war die Sorte von Blick, die Menschen einander zuwarfen, wenn sie sich anschickten, gemeinsam die Unwahrheit zu sagen. Die Sorte von Blick, die sie selbst mit ihrem Bruder gewechselt hatte, wenn sie irgendetwas vor ihrer Tante Harriet hatten verbergen wollen.
    »Sie verheimlichen mir etwas«, stellte Tessa nun kühl fest. »Wo ist mein Bruder? Was weiß Mortmain über

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