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Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Titel: Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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Leben getan: Zum ersten Mal hatte sie ihre Fähigkeit gezielt und nach eigenem Ermessen eingesetzt - und das hatte sich sehr gut angefühlt, überlegte sie. Dann hatte sie zum ersten Mal eine Pistole abgefeuert. Und schließlich hatte sie etwas erlebt, von dem sie zuvor jahrelang geträumt hatte: ihren ersten Kuss.
    Tessa drehte sich auf die Seite und vergrub das Gesicht in den Kissen. So viele Jahre hatte sie sich gefragt, wie ihr erster Kuss wohl sein mochte - ob derjenige, der ihn ihr gab, gut aussehen würde, ob er sie lieben, ob er sie gut behandeln würde. Aber niemals hätte sie sich vorgestellt, dass dieser Kuss so kurz und verzweifelt und wild ausfiele. Oder dass er nach Weihwasser schmecken würde - nach Weihwasser und Blut.

13
ETWAS DUNKLES
    Oft ist man minder unglücklich, von einer
geliebten Person getäuscht zu werden,
als nicht von ihr getäuscht zu werden.
    FRANÇOIS DE LA ROCHEFOUCAULD,
»MAXIMEN«
    Tessa erwachte am nächsten Tag, als Sophie die Lampe an ihrem Nachttisch anzündete. Stöhnend rollte sie sich auf die Seite und bedeckte ihre geblendeten Augen.
    »Nein, nicht noch einmal umdrehen, Miss!«, wandte Sophie sich in ihrem üblichen schroffen Ton an Tessa. »Sie haben schon den ganzen Tag verschlafen. Es ist bereits nach acht und Mrs Branwell sagte, ich solle Sie jetzt wecken.«
    »Nach acht? Abends?« Tessa schlug die Bettdecke zurück und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass sie noch immer Camilles Kleid trug. Der Stoff war nun völlig zerknittert, von den zahlreichen Flecken ganz zu schweigen. Sie musste vollständig bekleidet ins Bett gefallen sein, überlegte sie. Und dann setzten die ersten Erinnerungen an die zurückliegende Nacht ein - die weißen Gesichter der Vampire, das lodernde Feuer, das die Vorhänge erfasst hatte, Magnus Banes amüsiertes Lachen, de Quincey, Nathaniel und Will. Oh Gott, stöhnte sie innerlich, Will.
    Mit Mühe schob sie jeden Gedanken an Will beiseite, setzte sich auf und musterte Sophie ängstlich. »Mein Bruder ...«, fragte sie zaghaft. »Ist er ...«
    Sophies Lächeln verblasste. »Sein Zustand hat sich nicht verschlimmert, aber, ehrlich gesagt, auch nicht verbessert.« Als sie Tessas bestürzte Miene sah, fügte sie hinzu: »Ein heißes Bad und etwas in den Magen - das ist es, was Sie jetzt brauchen, Miss. Es hilft Ihrem Bruder auch nicht, wenn Sie hungern und Ihr Äußeres vernachlässigen.«
    Wehmütig schaute Tessa an sich herab. Camilles Kleid war vollkommen ruiniert, daran bestand kein Zweifel: Der feine Stoff war an zahlreichen Stellen zerrissen und fleckig. Dann wanderte ihr Blick weiter: Ihre Seidenstrümpfe hatten Löcher, ihre Füße waren schmutzig und ihre Arme und Hände mit Asche beschmiert. An den Zustand ihrer Haare wagte sie erst gar nicht zu denken. »Ich fürchte, du hast recht, Sophie«, räumte sie ein.
    Das Dienstmädchen brauchte nur ein paar Minuten, um den Badezuber - eine ovale Gusswanne mit Löwenfüßen, die hinter einem Paravent versteckt gewesen war - mit heißem Wasser zu füllen, das bereits vorsichtig abkühlte, als Tessa rasch ihre Kleidung abstreifte und sich vorsichtig hineingleiten ließ. Die wohlige Wärme des Wassers umfing sie und einen Moment lang genoss sie es, einfach nur mit geschlossenen Augen dazuliegen und ihre müden Glieder zu entspannen ...
    Doch sofort kehrten die Erinnerungen an Will zurück: Will, der Speicher, die Art und Weise, wie er ihre Hand berührt hatte ... wie er sie geküsst und dann fortgeschickt hatte.
    Tessa tauchte mit dem Kopf unter die Wasseroberfläche, als könnte sie sich dadurch vor dieser demütigenden Erinnerung verstecken. Doch sie hoffte vergebens. Dich selbst zu ertränken, hilft auch  nicht weiter, ermahnte sie sich streng. Will dagegen ... Entschlossen setzte sie sich auf, nahm die Lavendelseife, die auf dem Badewannenrand lag, und schrubbte ihre Haut und wusch ihr Haar, bis sich das Wasser vor Schmutz und Asche dunkel färbte. Wahrscheinlich war es nicht möglich, die unerwünschten Gedanken an eine andere Person ebenfalls wegzuschrubben - aber sie konnte es wenigstens versuchen.
    Als Tessa nach einer Weile hinter dem Paravent hervortrat, wartete Sophie bereits mit einem Tablett mit Tee und Sandwiches auf sie. Anschließend trat sie vor den Spiegel und half Tessa in das gelbe Kleid mit den dunklen Biesen, das für Tessas Geschmack viel zu überladen war; aber Jessamine hatte es im Geschäft besonders gut gefallen und sie hatte darauf bestanden, dass Tessa sich das

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