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Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Titel: Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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große Metallkreaturen auf und ab schreiten wie riesige Spinnen ...« Ein Moment lang stockte sein Atem. Er war nun sehr bleich und das Nachthemd klebte schweißfeucht an seiner Brust, doch er wischte Tessas besorgte Bemühungen einfach beiseite. »Alle paar Stunden kehrte ich gerade lange genug in die Wirklichkeit zurück, um die Schreie meiner Eltern zu hören - sie schrien meinen Namen. Als ich am zweiten Tag das Bewusstsein wiedererlangte, hörte ich nur noch meine Mutter. Mein Vater war für immer zum Schweigen gebracht worden. Die Stimme meiner Mutter klang heiser und brüchig, aber sie rief noch immer meinen Namen - nicht meinen britischen Namen, sondern den, den sie mir bei meiner Geburt gegeben hatte: Jian. Manchmal kann ich sie sogar noch heute rufen hören ... meinen Namen rufen hören.« Seine Hände umklammerten das Kissen an seiner Brust so fest, dass das Gewebe an manchen Stellen zu reißen drohte.
    »Jem«, sagte Tessa leise. »Du kannst aufhören, wenn du willst - du brauchst mir das nicht alles zu erzählen.«
    »Erinnerst du dich, wie ich vor ein paar Tagen die Vermutung aufgestellt habe, dass Mortmain sein Vermögen wahrscheinlich durch den Schmuggel von Opium erlangt hat?«, fragte Jem statt einer Antwort. »Die Briten schleusen das Zeug tonnenweise nach China. Sie haben aus uns eine Nation von Opiumabhängigen gemacht. Auf Chinesisch nennen wir diese Droge auch ›fremdländischer Dreck‹ oder ›schwarzer Rauch‹. Shanghai, meine Heimatstadt, wurde in gewisser Weise auf Opium errichtet - ohne diese Substanz wäre sie nicht das, was sie heute ist. In der Stadt wimmelt es von Opiumhöhlen, in denen hohläugige Männer sich zu Tode hungern, weil es sie nach nichts anderem mehr gelüstet als nach dieser Droge ... Sie wollen mehr davon, immer nur noch mehr. Und dafür würden sie alles geben. Früher habe ich diese Männer verachtet. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum sie so schwach waren.« Gequält holte Jem tief Luft.
    »Als die Shanghaier Brigade sich schließlich über die völlige Stille im Institut wunderte und sich gewaltsam Zutritt verschaffte, um uns zu retten, waren meine Eltern bereits tot. Ich kann mich an diese Zeit überhaupt nicht erinnern, aber man hat mir erzählt, dass ich unablässig geschrien und halluziniert hätte. Daraufhin hat man mich zu den Brüdern der Stille gebracht, die meinen Körper nach bestem Vermögen heilten. Allerdings gab es da etwas, das sie nicht kurieren konnten: Ich war von der Substanz, mit der der Dämon mich vergiftet hatte, abhängig geworden. Mein Organismus braucht das Gift auf vergleichbare Weise, wie der Körper eines Opiumabhängigen seine Droge braucht. Die Stillen Brüder versuchten, mich einer Entziehungskur zu unterziehen, doch damit waren schreckliche Schmerzen verbunden. Und obwohl sie in der Lage waren, den Schmerz mithilfe von Zaubersprüchen zu dämpfen, schädigte der Entzug des Giftes meinen Körper so sehr, dass ich schließlich an der Schwelle des Todes schwebte. Nach wochenlangen Versuchen und Experimenten kamen die Stillen Brüder zu dem Schluss, dass sich die Situation wohl nicht ändern ließe: Ich konnte ohne diese Substanz nicht mehr leben. Das Gift an sich bedeutet ein langes Dahinsiechen, doch ein völliger Entzug hätte meinen sofortigen Tod herbeigeführt.«
    »Wochenlange Versuche und Experimente?«, wiederholte Tessa entsetzt. »Als du gerade einmal elf Jahre alt warst? Das erscheint mir sehr grausam.«
    »Wer Gutes tun will, kann nicht immer freundlich sein«, erwiderte Jem und schaute an ihr vorbei. »Dort drüben, auf dem Nachttisch, steht ein Kästchen. Kannst du mir das bitte reichen?«
    Tessa nahm das Kästchen in die Hand. Es war aus Silber gefertigt und auf dem Deckel mit einer Emaille-Einlegearbeit verziert: Die Szenerie zeigte eine schlanke Frau in einem weißen Gewand, die barfuß an einem Fluss stand und Wasser aus einer Vase in den Strom goss. »Wer ist das?«, fragte Tessa, während sie Jem das Kästchen gab.
    »Kwan Yin, die Göttin der Barmherzigkeit und des Mitgefühls. Es heißt, sie höre jedes Gebet und jeden Schmerzensschrei und tue alles in ihrer Macht Stehende, um das Leid zu lindern. Ich habe mir gedacht, wenn ich die Ursache meines Leidens in einem Kästchen mit ihrem Abbild aufbewahre, könnte dies den Schmerz möglicherweise ein wenig mildern.« Jem öffnete den Schnappverschluss und der Deckel glitt nach hinten. Darunter kam eine dicke Lage feines Pulver zum Vorschein, das Tessa

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