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Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Titel: Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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vermeiden, dass Nathaniel verletzt wurde. Doch nun war er trotz allem verletzt worden, überlegte Tessa. Vielleicht hatte Jem ja recht - vielleicht war die Wahrheit doch der beste Weg.
    Nachdenklich setzte Tessa sich ihrem Bruder gegenüber auf ein Sofa und schaute ihn ruhig an. »Das wird uns nicht gelingen, Nate. Noch nicht. Dieser Schlamassel, in dem wir beide stecken, wird uns verfolgen, selbst wenn wir vor ihm davonlaufen. Und wenn wir davonlaufen, werden wir auf uns allein gestellt sein, sobald er uns findet. Es wird niemand da sein, der uns helfen oder gar beschützen könnte. Wir brauchen das Institut, Nate. Wir brauchen die Nephilim.«
    Nates blaue Augen trübten sich. »Scheint so«, sagte er resigniert und der Ausdruck wirkte auf Tessa, die seit fast zwei Monaten nur britische Stimmen gehört hatte, so uramerikanisch, dass sie sofort einen heftigen Anflug von Heimweh verspürte. »Es ist alles meine Schuld - nur deswegen bist du jetzt hier«, fuhr Nate fort. »De Quincey hat mich gefoltert. Hat mich gezwungen, diese Briefe zu schreiben und dir den Fahrschein für das Dampfschiff zu schicken. Er hat mir versichert, er würde dir kein Haar krümmen, wenn er dich erst einmal bei sich hätte. Aber dann hat er jede meiner Bitten, dich endlich zu treffen, abgelehnt und ich dachte ... ich dachte ...« Er verstummte, hob den Kopf und sah sie niedergeschlagen an. »Du hast allen Grund, mich von ganzem Herzen zu hassen.«
    »Ich könnte dich niemals hassen«, erwiderte Tessa mit fester Stimme. »Du bist mein Bruder. Wir sind eine Familie.«
    »Meinst du, dass wir nach Hause zurückkehren können, wenn das alles vorbei ist?«, fragte Nate. »Dass wir all das hier vergessen und ein ganz normales Leben führen können?«
    Ein ganz normales Leben führen. Die Worte ließen vor Tessas innerem Auge ein Bild entstehen, das sie und Nate in einer kleinen, sonnigen Wohnung zeigte. Nate könnte sich eine Anstellung suchen, sie würde sich um den Haushalt kümmern, und wenn er abends nach Hause kam, würde sie für ihn kochen. Und am Wochenende könnten sie im Park spazieren gehen oder den Zug nach Coney Island nehmen und Karussell fahren oder sich von dem dampfbetriebenen Aufzug auf die Aussichtsplattform des Iron Tower transportieren lassen und das Feuerwerk über den Dächern des Manhattan Beach Hotel beobachten. Und tagsüber würde die Sonne sommerlich warm scheinen und nicht so blass und wolkenverhangen wie hier in London, überlegte Tessa. Und sie selbst könnte ein ganz normales Mädchen sein, die Nase in ihre Bücher stecken und mit beiden Beinen sicher auf dem vertrauten Pflaster ihrer Heimatstadt New York stehen.
    Doch sosehr sie sich auch bemühte, diese Vorstellung in ihrem Kopf festzuhalten - das Bild zerfiel langsam, zerriss wie eine Spinnwebe, die man mit beiden Händen anzuheben versucht. Und dann sah sie Will vor sich und Jem und Charlotte und sogar Magnus Bane: Armes Ding. Jetzt, da Sie die Wahrheit kennen, führt kein Weg mehr zurück.
    »Aber wir sind nicht normal«, sagte Tessa. »Ich bin nicht normal. Und das weißt du ganz genau, Nate.«
    Betreten schaute er zu Boden. »Ich weiß«, murmelte er, blickte wieder auf und wedelte hilflos mit der Hand. »Dann stimmt es also. Du bist wirklich das, was de Quincey behauptet hat: mit magischen Fähigkeiten ausgestattet. Er sagte, du würdest die Fähigkeit besitzen, deine Gestalt zu ändern, Tessie ... dich in jede andere Person verwandeln können.«
    »Hast du ihm denn geglaubt? Es entspricht zwar der Wahrheit - oder beinahe, um genau zu sein -, aber ich habe es anfangs selbst kaum glauben können. Das Ganze ist so merkwürdig ...«
    »Ich habe schon viel merkwürdigere Dinge gesehen«, erwiderte Nathaniel mit Grabesstimme. »Oh Gott, eigentlich hätte ich derjenige sein sollen.«
    Tessa runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?« Doch bevor ihr Bruder antworten konnte, schwang die Tür auf.
    »Miss Gray?«, fragte Thomas, mit einem entschuldigenden Ausdruck in den Augen. »Miss Gray, der junge Mr Herondale ist ...«
    »Der junge Mr Herondale ist schon da!«, verkündete Will und schlängelte sich geschickt an Thomas vorbei, trotz der massiven Gestalt des Dienstboten. Er trug noch dieselbe Kleidung wie am Abend zuvor, die inzwischen einen stark verknitterten Eindruck machte. Tessa fragte sich, ob er vielleicht die ganze Nacht im Sessel an Jems Bett verbracht hatte. Graublaue Schatten lagen unter seinen Augen und er wirkte erschöpft, doch aus seinem Blick

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