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Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince

Titel: Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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offensichtlich gerade dabei gewesen, sich für die Nachtruhe vorzubereiten: Er hatte Schuhe und Gehrock abgelegt, sein Hemdkragen stand offen und seine silbernen Haare waren anbetungswürdig zerzaust. Am liebsten hätte Tessa die Hand ausgestreckt und sie ihm glatt gestrichen. Verwundert blinzelte er sie an. »Tessa?«
    Wortlos überreichte sie ihm das Schreiben. Jem schaute rasch in beide Richtungen des Flurs und winkte sie dann herein, woraufhin Tessa die Tür hinter sich schloss und zusah, wie er Magnus’ Brief las. Erst flüchtig, dann ein zweites Mal. Schließlich zerknüllte er ihn in der Hand und das Papier knisterte laut im ansonsten stillen Zimmer. »Ich hab’s doch gewusst !«, stieß er hervor.
    Dieses Mal blinzelte Tessa verwundert. »Was hast du gewusst?«
    »Dass es sich nicht um eine von Wills üblichen Eskapaden handelt.« Rasch setzte er sich auf die Truhe am Fuß des Betts und schlüpfte in seine Schuhe. »Ich habe es gespürt. Hier.« Er legte sich eine Hand auf die Brust. »Ich wusste, dass irgendetwas anders war als sonst. Das habe ich wie einen Schatten auf meiner Seele gespürt.«
    »Du glaubst doch nicht wirklich, er könnte sich ein Leid antun, oder?«
    »Sich selbst ein Leid antun, hm, nein, vermutlich nicht. Aber sich in eine Situation bringen, wo man ihm möglicherweise ein Leid antut ... «Jem sprang auf. »Ich muss gehen.«
    »Wolltest du nicht ›wir‹ sagen? Du hast doch nicht ernsthaft vorgehabt, ohne mich nach Will zu suchen, oder?«, fragte Tessa schelmisch, und als Jem schwieg, fügte sie hinzu: »Dieser Brief war an mich adressiert, James. Ich hätte ihn dir überhaupt nicht zu zeigen brauchen.«
    Einen Moment lang senkte Jem die Lider, aber als er sie wieder aufschlug, grinste er schief. »James«, sagte er. »Normalerweise nennt nur Will mich so.«
    »Tut mir leid ...«
    »Nein, nein, das muss dir nicht leidtun. Mir gefällt der Klang meines Namens auf deinen Lippen.«
    Lippen. Dieses Wort hatte etwas Eigentümliches, geradezu delikat Unschickliches an sich, fast wie ein Kuss. Und es schien zwischen ihnen im Raum zu schweben, während beide zögerten. Aber das hier ist doch Jem, dachte Tessa verwirrt. Jem. Und nicht Will, der ihr allein durch einen Blick das Gefühl geben konnte, seine Finger würden über ihre nackte Haut gleiten ...
    »Du hast recht«, räumte Jem ein und räusperte sich. »Magnus hätte diesen Brief bestimmt nicht an dich geschickt, wenn er nicht gewollt hätte, dass du dich an der Suche nach Will beteiligst. Vielleicht glaubt er ja, deine besondere Fähigkeit könnte uns dabei irgendwie von Nutzen sein. Aber wie auch immer ...« Er wandte sich ab, ging zu seinem Kleiderschrank und riss die Türen weit auf. »Warte bitte in deinem Zimmer auf mich. Ich brauche nur eine Minute.«
    Tessa war sich nicht sicher, ob sie genickt hatte - sie nahm es jedenfalls an aber wenige Augenblicke später fand sie sich in ihrem Zimmer wieder und lehnte sich von innen gegen die geschlossene Tür. Ihr Gesicht glühte, als hätte sie zu nahe am Kaminfeuer gestanden. Verwundert schaute sie sich um. Seit wann betrachtete sie diesen Raum eigentlich als ihr Zimmer? Dieses große, fast fürstliche Gemach mit den hohen Kreuzfenstern und den sanft leuchtenden Elbenlichtkerzen hatte so wenig mit dem winzigen Kämmerchen gemein, in dem sie in New York geschlafen hatte - mit dem armseligen Holzbett und den fadenscheinigen Decken, den dicken Wachsflecken auf dem Nachttisch, die von ihrer mitternächtlichen Lektüre im Kerzenschein zeugten, und den dünnen, schlecht gerahmten Fensterscheiben, an denen im Winter immer der Wind gerüttelt hatte.
    Ein leises Pochen riss Tessa aus ihren Erinnerungen. Sie drehte sich um, öffnete die Tür und entdeckte Jem, der direkt vor ihr stand. Er trug seine Schattenjägermontur - schwarze Hose und langer Mantel aus jenem dicken, lederartigen Stoff, dazu schwere Stiefel. Rasch legte er einen Finger an die Lippen und bedeutete Tessa, ihm zu folgen.
    Inzwischen musste die Uhr zehn geschlagen haben, schätzte Tessa, während sie durch eine ungewohnte Abfolge von Gängen mit schwach brennenden Elbenlichtkerzen eilten. Dies war nicht der übliche Weg zur Institutstür ... Ihre Verwirrung legte sich erst, als sie eine Tür am Ende eines langen Flurs erreichten. Der Vorraum, in dem sie standen, besaß leicht gerundete Mauern; daher nahm Tessa an, dass sie sich im Inneren eines der gotischen Spitztürme befanden, die jede Ecke des Institutsgebäudes

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