Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
du überhaupt?«
»Einfach so deinem Freund hinterherzurennen. Weißt du eigentlich, in welche Gefahr du ihn gebracht hast? Weißt du …«
»Ihn? Meinst du Jace?«, unterbrach Clary ihn rüde. »Nur zu deiner Information: Das Ganze war seine Idee. Er hat Magnus gefragt, wo sich das Vampirversteck befindet. Er ist in die Kirche marschiert und hat die Waffen geholt. Und auch wenn ich ihn nicht begleitet hätte, wäre er trotzdem in das Hotel gestürmt.«
»Das verstehst du nicht«, sagte Alec. »Du kennst ihn nicht. Nicht so wie ich. Er glaubt, er müsse die Welt retten, und er hätte nichts dagegen, wenn er bei dem Versuch umkäme. Manchmal denke ich, dass er sogar sterben möchte, aber das bedeutet nicht, dass du ihn dazu ermutigen solltest.«
»Ich kapier’s nicht«, erwiderte sie. »Jace ist ein Nephilim. Das ist doch eure Aufgabe: Ihr rettet Leute, ihr tötet Dämonen, ihr bringt euch in Gefahr. Warum war die letzte Nacht denn etwas anderes?«
Alec verlor die Beherrschung. »Weil er mich zurückgelassen hat!«, brüllte er. »Normalerweise bin ich immer bei ihm, gebe ihm Deckung, halte ihm den Rücken frei, pass auf ihn auf. Aber du … du bist nur Ballast, eine Irdische .« Er stieß das Wort aus, als wäre es etwas Unanständiges.
»Nein«, erwiderte Clary. »Das bin ich nicht. Ich bin eine Nephilim – genau wie du.«
Er kräuselte verächtlich die Lippen. »Möglicherweise«, sagte er. »Aber ohne Training und ohne jede Erfahrung bist du von keinem großen Nutzen, oder? Deine Mutter hat dich in der irdischen Welt aufgezogen und genau da gehörst du hin. Nicht hierher, wo du Jace dazu bringst, sich so zu verhalten, als wäre er … als wäre er keiner von uns. Wo du ihn dazu verleitest, seinen Eid gegenüber dem Rat zu brechen, das Gesetz zu übertreten …«
»Achtung, Alec, wichtige Durchsage: Ich bringe Jace nicht dazu, irgendetwas zu tun«, fuhr Clary ihn an. »Er macht, was er will. Das solltest du eigentlich wissen.«
Alec musterte sie, als wäre sie eine besonders abscheuliche Art von Dämon, die er noch nie gesehen hatte. »Ihr Mundies seid total egoistisch! Hast du überhaupt eine Ahnung, was er für dich getan hat, welches Risiko er auf sich genommen hat? Und ich rede nicht nur von seiner Sicherheit. Für ihn steht viel mehr auf dem Spiel. Er hat bereits Vater und Mutter verloren; willst du, dass er jetzt auch noch die einzige Familie verliert, die ihm geblieben ist?«
Clary wich kurz zurück. Doch dann stieg wie eine schwarze Woge heiße Wut in ihr auf – Wut auf Alec, weil er teilweise recht hatte, Wut auf alles und jeden: auf die vereiste Straße, die ihr den Vater genommen hatte, noch ehe sie geboren war; auf Simon, weil er sich in diese lebensgefährliche Situation gebracht hatte; auf Jace, weil er den Märtyrer spielte und nichts auf sein Leben gab. Wut auf Luke, weil er so getan hatte, als würde sie ihm etwas bedeuten, obwohl das eine riesige Lüge gewesen war. Und Wut auf ihre Mutter, weil sie nicht die langweilige, normale, planlose Frau war, die sie immer zu sein vorgegeben hatte, sondern jemand vollkommen anderes: eine heldenhafte und atemberaubende und mutige Person, die Clary überhaupt nicht kannte. Eine Person, die nicht da war, jetzt, wo Clary sie dringend brauchte.
»Ausgerechnet du redest von Egoismus«, zischte Clary so giftig, dass Alec einen Schritt zurückwich. »Du interessierst dich doch nur für einen Menschen auf dieser Welt und das bist du selbst, Alec Lightwood. Kein Wunder, dass du noch keinen einzigen Dämon getötet hast, denn dafür hast du viel zu viel Angst.«
Alec starrte sie sprachlos an. »Wer hat dir das erzählt?« »Jace.«
Alec sah aus, als hätte sie ihn geschlagen. »Das würde er nie tun. So was würde er niemals sagen.«
»Das hat er aber.« Clary konnte erkennen, wie sehr sie ihn damit traf, und es bereitete ihr Freude. Zur Abwechslung durften ruhig mal die Gefühle eines anderen verletzt werden. »Von mir aus kannst du noch stundenlang von Ehre und Aufrichtigkeit schwafeln und davon, dass Mundies angeblich weder das eine noch das andere besitzen. Aber wenn du ehrlich bist, musst du zugeben, dass du nur deshalb einen Wutanfall bekommen hast, weil du in Jace verliebt bist. Das hat überhaupt nichts mit …«
Alec machte einen Satz nach vorn und im nächsten Moment dröhnte Clary der Schädel. Er hatte sie mit solcher Wucht an die Wand gestoßen, dass ihr Hinterkopf gegen die Holzvertäfelung geprallt war. Sein Gesicht schwebte nur wenige
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