Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
ab? Kein Wunder, dass er so einen Erfolg bei den Damen hat …«
»Der Bus ist schließlich auch ein Auto«, erwiderte Clary. »Du bist doch nur sauer auf Simon, weil er etwas hat, was du nicht hast.«
»Er hat viele Dinge, die ich nicht habe«, sagte Jace. »Kurzsichtigkeit, einen Haltungsfehler und eine beängstigende Koordinationsstörung.«
»Wusstest du eigentlich, dass die meisten Psychologen sich darin einig sind, dass Feindseligkeit in Wirklichkeit eine Form sublimierter sexueller Anziehungskraft ist?«, fragte Clary.
»Ah, das erklärt vielleicht, wieso ich so oft auf Leute stoße, die mich zu hassen scheinen«, erwiderte Jace unbekümmert.
»Ich hasse dich nicht«, warf Alec rasch ein.
»Weil wir eine brüderliche Zuneigung füreinander empfinden«, erklärte Jace und ging zum Schreibtisch. Er nahm den Hörer des schwarzen Telefons ab und hielt ihn Clary hin. »Ruf ihn an.«
»Wen?«, fragte Clary, um Zeit zu schinden. »Eric? Der würde mir nie seinen Wagen leihen.«
»Simon«, entgegnete Jace. »Ruf ihn an und frage ihn, ob er uns zu deinem Haus fahren kann.«
Clary unternahm einen letzten Versuch. »Kennt ihr denn gar keine Schattenjäger mit einem fahrbaren Untersatz?«
»In New York?« Jace’ Lächeln verblasste. »Im Augenblick sind fast alle Schattenjäger wegen des Abkommens in Idris. Außerdem würden sie darauf bestehen, uns zu begleiten. Es läuft also auf Simon oder gar nichts hinaus.«
Einen kurzen Moment lang trafen sich ihre Blicke. In seinen Augen lag etwas Provozierendes und noch etwas anderes … als wollte er sie herausfordern, ihr Zögern zu erklären. Mit einem finsteren Gesicht ging sie um den Schreibtisch herum und riss ihm den Hörer aus der Hand.
Clary musste nicht lange nachdenken: Simons Telefonnummer war ihr fast so vertraut wie ihre eigene. Sie machte sich darauf gefasst, dass seine Mutter oder eine seiner Schwestern abnehmen würde, aber glücklicherweise ging er nach dem zweiten Klingeln selbst an den Apparat. »Hallo?«
»Simon?«
Schweigen.
Jace betrachtete Clary. Sie kniff die Augen zu und versuchte, so zu tun, als sei er nicht da. »Ich bin’s«, murmelte sie. »Clary.«
»Ich weiß , wer dran ist.« Er klang verärgert. »Ich hatte fest geschlafen.«
»Ich weiß, es ist ziemlich früh. Tut mir leid.« Sie wickelte die Telefonschnur um ihren Zeigefinger. »Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
Erneut herrschte am anderen Ende der Leitung Schweigen, bis Simon schließlich ein freudloses Lachen ausstieß. »Das soll wohl ein Witz sein.«
»Nein, mir ist nicht nach Witzen zumute«, erwiderte Clary. »Wir wissen, wo sich der Kelch der Engel befindet, und wir sind entschlossen, ihn zu holen. Das Problem ist nur: Wir brauchen einen Wagen.«
Simon lachte erneut. »Entschuldige mal, willst du mir etwa erzählen, dass deine dämonenschlachtenden Freunde zu ihrem nächsten Rendezvous mit den Mächten der Finsternis kutschiert werden müssen – und zwar von meiner Mutter?«
»Ich hatte eigentlich gedacht, du könntest Eric fragen, ob er dir den Bus leiht.«
»Clary, wenn du glaubst, dass ich …«
»Wenn wir den Kelch der Engel finden, habe ich etwas in der Hand, um meine Mutter zurückzubekommen. Der Kelch ist der einzige Grund dafür, dass Valentin sie noch nicht getötet oder freigelassen hat.«
Simon stieß einen langen, gequälten Seufzer aus. »Glaubst du wirklich, dass du so einfach einen Handel mit ihm vereinbaren kannst, Clary? Ich weiß nicht recht.«
»Ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß, dass zumindest eine Chance besteht.«
»Dieser Kelch ist ziemlich mächtig, oder? In ›Dungeons and Dragons‹ empfiehlt es sich normalerweise, nicht mit solch mächtigen Gegenständen herumzuspielen, bis man genau weiß, welche Eigenschaften sie besitzen.«
»Ich habe nicht vor, damit herumzuspielen. Ich will den Kelch nur dazu verwenden, meine Mom zu befreien.«
»Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, Clary.«
»Das hier ist kein verdammtes Rollenspiel, Simon!«, schrie sie beinahe in den Hörer. »Kein lustiges Spielchen, bei dem das schlimmste Szenario darin besteht, dass du schlecht würfelst. Hier geht es um meine Mutter und darum, dass Valentin sie vielleicht gerade in diesem Moment foltert … oder tötet. Ich muss einfach alles versuchen, um sie zu befreien – genau wie ich es für dich getan habe.«
Pause. »Vielleicht hast du ja recht. Ich weiß auch nicht, aber das ist irgendwie nicht meine Welt. Wo genau soll es denn hingehen?
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