Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
ihr vorhat«, erwiderte er. »Schließlich war sie mal seine Frau. Vielleicht hasst er sie ja. Da hast du deinen Zweck.«
»Lasst sie gehen«, sagte Luke. »Wenn ihr sie freigebt, werden wir mit ihr verschwinden und ich werde mein Rudel zurückrufen. Dann habt ihr was bei mir gut.«
»Nein!« Clarys wütender Ausruf veranlasste Pangborn und Blackwell zu einem teils ungläubigen, teils angewiderten Stirnrunzeln, als wäre sie eine sprechende Kakerlake. Clary wandte sich an Luke. »Was ist mit Jace? Er muss hier irgendwo sein.«
Blackwell lachte in sich hinein. »Jace? Ich kenne keinen Jace«, meinte er. »Natürlich könnte ich Pangborn bitten, Jocelyn freizulassen. Aber ich habe keine Lust dazu. Das Miststück hat mich immer wie ein Stück Dreck behandelt. Hielt sich wohl für was Besseres … mit ihrem Aussehen und ihrer Abstammung. Dabei war sie nichts weiter als ein kleines Biest mit einer langen Ahnenreihe. Und sie hat Valentin nur geheiratet, damit sie uns alle verraten konnte …«
»Enttäuscht, dass er nicht dich geheiratet hat, Blackwell?«, entgegnete Luke spöttisch, doch Clary konnte die kalte Wut in seiner Stimme hören.
Blackwells Gesicht lief dunkelrot an; er machte wütend einen Schritt in den Raum hinein und setzte zu einer Antwort an.
Im gleichen Moment griff Luke mit einer blitzartigen Bewegung, die Clary kaum wahrnahm, nach dem Skalpell auf dem Nachttisch und warf es. Der Stahl wirbelte durch die Luft und bohrte sich mit der Spitze in Blackwells Kehle, schnitt ihm förmlich das Wort ab. Er würgte, verdrehte die Augen und fiel auf die Knie, die Hände an der Kehle. Scharlachrote Flüssigkeit sprudelte zwischen seinen gespreizten Fingern hervor. Er öffnete die Lippen, als wollte er etwas sagen, doch stattdessen lief nur ein dünnes Blutrinnsal aus seinem Mund. Seine Hände sanken herab und er ging dröhnend zu Boden wie ein gefällter Baum.
»Ach, herrje«, näselte Pangborn und betrachtete angewidert den reglosen Körper seines Waffenbruders. »Wie unangenehm.«
Das Blut aus Blackwells aufgeschlitzter Kehle ergoss sich wie eine dickflüssige rote Suppe über den Boden. Luke packte Clary an der Schulter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Doch seine Worte drangen nicht zu ihr durch – Clary spürte nur ein dumpfes Dröhnen in ihrem Kopf. Plötzlich erinnerte sie sich an irgendein Gedicht, das sie in der Schule gelernt hatte – irgendetwas über den Tod … wenn man den ersten Toten gesehen hat, spielen alle weiteren keine Rolle mehr. Dieser Dichter hatte keine Ahnung gehabt, wovon er sprach, dachte sie.
Luke ließ sie los. »Die Schlüssel, Pangborn«, sagte er.
Pangborn stieß Blackwell mit dem Fuß an und blickte auf. Er wirkte gereizt. »Oder was? Wirst du sonst eine Spritze nach mir werfen? Auf dem Tisch lag nur ein einziges Skalpell«, höhnte er, griff über seine Schulter und zückte ein langes, rasiermesserscharfes Schwert. »Nein, nein. Wenn du die Schlüssel haben willst, wirst du wohl zu mir kommen und sie dir holen müssen. Nicht weil mich Jocelyn Morgenstern in irgendeiner Weise interessieren würde, sondern einzig und allein deshalb, weil ich schon so lange darauf warte, dich ins Jenseits zu befördern. Und jetzt ist es endlich so weit.«
Er schien sich an seinen Worten förmlich zu weiden, während er in beinahe freudiger Erwartung langsam näher kam. Seine Klinge blitzte im Mondlicht heimtückisch und drohend auf. Clary sah, wie Luke eine Handbewegung in ihre Richtung machte – seine Hand wirkte seltsam lang und seine Fingernägel waren spitz wie winzige Dolche –, und erkannte gleichzeitig zwei Dinge: dass er im Begriff war, sich zu verwandeln, und dass er ihr nur ein einziges Wort ins Ohr geflüstert hatte.
Lauf.
Clary lief. Sie umkurvte Pangborn, der sie kaum eines Blickes würdigte, sprang über Blackwells Leichnam und war im nächsten Moment durch die Tür, noch bevor Lukes Verwandlung vollständig vollzogen war. Ihr Herz raste, aber sie schaute sich nicht um, als sie hinter sich ein langes, durchdringendes Wolfsheulen hörte, den Klang von Metall und ein krachendes Klirren. Splitterndes Glas, dachte sie. Vielleicht hatten sie Jocelyns Nachttischchen umgestoßen.
Sie stürzte durch den Korridor zur Waffenkammer und griff nach einer verwitterten Axt mit Stahlheft, die an einer Wand hing. Doch die Waffe rührte sich keinen Millimeter, sosehr sie auch daran zerrte. Clary versuchte ihr Glück bei einem Schwert, dann bei einem Klingenstab und sogar bei einem kleinen
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