Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
Es gibt ein weiteres Beinhaus in Idris, das natürlich viel größer ist. Aber auf dieser Ebene befinden sich die Mausoleen und der Ort der Feuerbestattung.
»Der Ort der Feuerbestattung?«
Diejenigen, die in der Schlacht sterben, werden verbrannt und aus ihrer Asche werden die Marmorbögen errichtet, die du hier siehst. Das Blut und die Gebeine der Dämonenjäger sind ein machtvoller Schutz gegen das Böse – Selbst über den Tod hinaus dient der Rat der Sache.
Wie anstrengend, dachte Clary, das ganze Leben zu kämpfen und diesen Kampf selbst dann noch fortsetzen zu müssen, wenn das Leben vorbei war. Aus den Augenwinkeln konnte sie die rechteckigen weißen Grabkammern sehen, die sich in ordentlichen Reihen zu beiden Seiten erhoben und deren Türen von außen verschlossen waren. Jetzt verstand sie, warum dieser Ort Stadt der Stille genannt wurde: Ihre einzigen Bewohnerwaren die Stillen Brüder und die Toten, die sie so eifrig bewachten.
Inzwischen standen sie vor einer weiteren Treppe, die noch tiefer in die Dunkelheit hineinführte. Jace hielt die Fackel hoch und sie warf Schatten an die Wände. »Wir steigen jetzt zur zweiten Ebene hinunter, wo sich die Archive und die Ratszimmer befinden«, sagte er, als wolle er sie beruhigen.
»Wo sind die Wohnbereiche?«, fragte Clary, teils aus Höflichkeit, teils aus Neugier. »Wo schlafen die Brüder?«
Schlafen?
Das stille Wort hing in der Dunkelheit zwischen ihnen. Jace lachte und die Flamme der Fackel in seiner Hand flackerte. »Das musstest du ja fragen.«
Am Fuß der Treppe befand sich ein weiterer Tunnel, der sich an seinem Ende zu einem rechteckigen Platz verbreiterte, dessen Ecken jeweils ein Turm aus geschnitzten Knochen markierte. An den Seiten des Platzes brannten Fackeln in langen Onyxhaltern und die Luft roch nach Asche und Rauch. In der Mitte des Platzes stand ein langer Tisch aus schwarzem, hell marmoriertem Basalt. An der dunklen Wand hinter dem Tisch hing ein enormes silbernes Schwert, dessen Heft die Form ausgebreiteter Flügel hatte, mit der Spitze nach unten. Entlang des Tischs saß eine Reihe Stiller Brüder, jeder in die gleiche pergamentfarbene Robe gekleidet wie Jeremiah.
Jeremiah verlor keine Zeit. Wir sind angekommen. Clarissa, trete vor den Rat der Stadt der Stille.
Clary sah Jace an, der jedoch verwirrt blinzelte. Bruder Jeremiah hatte offenbar nur in ihrem Kopf gesprochen. Sie schaute zum Tisch, auf die lange Reihe der stummen Gestalten in ihren schweren Roben. Der Boden des Platzes zeigte ein Schachbrettmuster aus goldener Bronze und einem dunkleren Rot. Direkt vor dem Tisch befand sich ein großes Quadrat aus schwarzem Marmor, verziert mit einem parabelförmigen Muster aus silbernen Sternen.
Clary trat in die Mitte des schwarzen Quadrats, als trete sie vor ein Erschießungskommando. Sie hob den Kopf. »In Ordnung«, sagte sie. »Und jetzt?«
Die Brüder gaben ein Geräusch von sich, das Clary die Haare im Nacken und auf den Armen zu Berge stehen ließ, ein Geräusch wie ein Seufzen oder ein Stöhnen. Einmütig hoben sie die Hand und schoben die Kapuzen zurück, sodass ihre vernarbten Gesichter und die leeren Augenhöhlen sichtbar wurden.
Clary hatte zwar schon Bruder Jeremiahs unverhülltes Gesicht gesehen, trotzdem krampfte sich ihr Magen zusammen. Es war, als würde sie eine Reihe von Totenköpfen ansehen – wie einer dieser mittelalterlichen Holzschnitte, auf denen die Toten herumliefen, sich unterhielten und auf den aufgetürmten Leibern der Lebenden tanzten. Ihre zugenähten Münder schienen sie anzugrinsen.
Der Rat grüßt dich, Clarissa Fray, hörte sie nicht nur eine, sondern ein Dutzend Stimmen in ihrem Kopf sagen. Einige klangen tief und heiser, andere weich und monoton, aber alle waren fordernd und beharrlich und drängten gegen die fragilen Schranken ihres Geistes.
»Stopp«, sagte sie und zu ihrem Erstaunen klang ihre Stimme fest und entschlossen. Der Lärm in ihrem Kopf riss so abrupt ab wie eine Schallplatte, die sich plötzlich nicht länger dreht. »Sie können in meinen Kopf hineinschauen«, sagte sie, »aber erst, wenn ich bereit bin.«
Wenn du unsere Hilfe nicht willst, können wir auch darauf verzichten. Schließlich hast du uns um Unterstützung gebeten.
»Sie wollen wissen, was in meinem Kopf ist, und das möchte ich auch. Das heißt aber nicht, dass Sie nicht vorsichtig vorgehen sollten«, erwiderte Clary.
Der Bruder, der in der Mitte des Tischs saß, stützte das Kinn auf seine dünnen weißen
Weitere Kostenlose Bücher