Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
der Mond, dessen cremeweißes Licht sich im Teich spiegelte. Allerdings war der Kreis des Mondes noch nicht voll – ihm fehlte ein kleines Stück, wodurch er wie ein halb geschlossenes Auge aussah. Ein nächtlicher Wind rüttelte an den Ästen der umstehenden Bäume und warf ihre Zweige mit einem hohl klingenden Geräusch gegeneinander.
»Wo gehen wir denn hin?«, fragte Clary. »Wo ist dieses Tor?«
Isabelle lächelte ein kleines, geheimnisvolles Lächeln. »Folgt mir.«
Sie ging zum Rand des Teichs; ihre Stiefel hinterließen tiefe Spuren im feuchten Schlamm. Clary heftete sich an ihre Fersen und war froh, dass sie eine Jeans trug und keinen Rock, als Isabelle ihren Mantel und ihr Kleid bis weit über die Knie anhob, wodurch ihre schlanken weißen Oberschenkel zum Vorschein kamen. Ihre nackte Haut war über und über mit Runen bedeckt, die wie schwarze Flammen züngelten.
Simon, der hinter Clary ging, fluchte leise, als er auf dem Schlamm ausrutschte. Automatisch streckte Jace eine Hand aus, um ihn zu stützen. Doch Simon riss seinen Arm zurück. »Ich brauch deine Hilfe nicht.«
»Hört auf damit.« Isabelle stampfte mit dem Stiefel auf, sodass das Wasser am flachen Teichrand aufspritzte. »Alle beide. Um genau zu sein: ihr alle drei. Wenn wir am Lichten Hof nicht zusammenhalten, sind wir so gut wie tot.«
»Aber ich hab doch gar nichts getan …«, setzte Clary bestürzt an.
»Vielleicht hast du nichts aktiv gemacht, aber die Art und Weise, mit der du zusiehst, wie die zwei sich verhalten …« Isabelle deutete mit einer abschätzigen Handbewegung auf die beiden Jungen.
»Ich kann ihnen doch nicht vorschreiben, was sie zu tun haben!«
»Warum nicht?«, hakte Isabelle nach. »Ehrlich, Clary, wenn du nicht bald anfängst, deine natürliche weibliche Überlegenheit zu nutzen, dann weiß ich nicht, was ich noch mit dir machen soll.« Sie drehte sich zum Teich um, wirbelte dann aber erneut herum. »Und ehe ich es vergesse«, fügte sie ernst hinzu, »rührt um Himmels willen keine Getränke oder Speisen an, solange wir da unten sind. Keiner von euch. Okay?«
»Da unten?«, fragte Simon besorgt. »Gehen wir etwa unter die Erde? Davon hat mir keiner was gesagt.«
Isabelle warf die Hände hoch und stapfte in den Teich. Ihr grünes Samtkleid umwirbelte ihre Beine wie ein riesiges Seerosenblatt. »Jetzt kommt endlich. Wir haben nur so lange Zeit, bis sich der Mond bewegt.«
Bis der Mond was macht? Kopfschüttelnd stieg Clary in den Teich. Das Wasser war flach und klar; im hellen Licht der Sterne konnte sie die schwarzen Schatten winziger Fische erkennen, die um ihre Knöchel flitzten. Als sie tiefer in den Teich hineinwatete, musste sie die Zähne aufeinanderbeißen – das Wasser war eisig kalt.
Hinter ihr stieg Jace mit einer solch beherrschten Geschmeidigkeit in den Teich, dass sich die Wasseroberfläche kaum kräuselte. Zum Schluss folgte Simon, der laut spritzend und fluchend hinter den anderen herstapfte. Als Isabelle die Mitte des Turtle Pond erreichte, hielt sie inne; das Wasser stand ihr bis zur Taille. Entschlossen streckte sie Clary eine Hand entgegen. »Stopp.«
Clary blieb abrupt stehen. Direkt vor ihr schimmerte das Spiegelbild des Mondes wie ein riesiger silberner Teller auf dem Teich. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass hier etwas nicht stimmte: Der Mond bewegte sich normalerweise von einem fort, wenn man auf ihn zuging; er verharrte nicht auf der Stelle. Doch hier schwebte er auf der Wasseroberfläche, als wäre er dort fest verankert.
»Jace, du gehst als Erster«, sagte Isabelle und winkte ihn zu sich. »Komm schon.«
Jace schob sich an Clary vorbei; er roch nach feuchtem Leder und verbrannter Haut. Sie sah, wie er lächelte, als er sich umdrehte. Dann stieg er rückwärts in die Reflexion des Mondes – und verschwand.
»Okay«, sagte Simon unglücklich. »Okay, das war jetzt ziemlich unheimlich.«
Clary drehte sich zu ihm um. Er stand nur hüfthoch im Wasser, aber er zitterte am ganzen Leib; seine Hände umklammerten seine Ellbogen. Sie schenkte ihm ein Lächeln und trat einen Schritt zurück. Eine Woge eiskalten Wassers erfasste sie, als sie sich in das schimmernde silberne Mondlicht sinken ließ. Einen Moment lang zögerte sie, als hätte sie auf der obersten Stufe einer hohen Leiter das Gleichgewicht verloren – und dann fiel sie rückwärts in die Dunkelheit, als der Mond sie verschluckte.
Clary schlug hart auf dem Boden auf, taumelte und spürte eine Hand an ihrem Arm,
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