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Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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Isabelle, die mit ihrer Peitsche dastand. Sie hatten Simons Leichnam in eine Decke gewickelt und das Bündel lag nun vor ihren Füßen, als würde sie es bewachen. Nicht es, ermahnte Clary sich entschlossen.
    Ihn. Simon.
    »Ich will hier sein, wenn er erwacht.«
    »Ich weiß. Wir kommen ja auch gleich wieder.« Als Clary nicht reagierte, nahm Jace ihren Arm und zog sie widerstandslos von der Lichtung zum Fuß des Hügels. Hier, direkt oberhalb der ersten Grabreihe, lagen mehrere Findlinge. Jace setzte sich auf einen der Steinblöcke und schlug den Jackenkragen hoch. Es war überraschend kalt geworden. Zum ersten Mal in diesem Frühherbst konnte Clary ihren Atem sehen, der weiß in der Luft stand.
    Sie setzte sich auf den Findling neben Jace und starrte hinunter auf den See. Sie hörte das rhythmische Tschack-Tschack , wenn Raphaels Spaten sich in den Boden grub und die ausgehobene Erde anschließend klatschend auf den Boden traf. Raphael war kein Mensch; er arbeitete schnell. Er würde nicht lange brauchen, um ein Grab auszuheben. Und Simon war alles andere als korpulent; das Loch musste also nicht besonders tief sein.
    Ein stechender Schmerz durchfuhr Clarys Magen. Sie krümmte sich, die Hände auf den Bauch gedrückt. »Mir ist schlecht.«
    »Ich weiß. Deswegen hab ich dich auch hierhergebracht. Du hast ausgesehen, als würdest du Raphael jeden Moment auf die Füße kotzen.«
    Clary stieß ein kleines, stöhnendes Geräusch aus. »Andererseits hätte ihm das vielleicht das Grinsen aus dem Gesicht gefegt«, sinnierte Jace, »was auch nicht zu verachten wäre.«
    »Ach, sei still.« Der Schmerz hatte nachgelassen. Clary hob den Kopf und schaute hinauf zum Mond – eine silberne Scheibe in einem Meer von Sternen. »Das ist alles meine Schuld.«
    »Nein, ist es nicht.«
    »Du hast recht. Es ist unsere Schuld.«
    Jace drehte sich zu ihr; eine Mischung aus Verzweiflung und Wut spiegelte sich in der Haltung seiner Schultern. »Und wie kommst du auf diese Idee?«
    Schweigend sah Clary ihn einen Moment an. Er musste dringend zum Friseur. Seine Haare kräuselten sich wie zu lange Ranken – geschwungene lange Locken, die im Mondlicht wie weißes Gold schimmerten. Die Narben in seinem Gesicht und an seinem Hals sahen aus, als wären sie mit Metalltusche in seine Haut geätzt. Er war wunderschön, dachte Clary plötzlich wehmütig. Wunderschön und ohne die geringste Familienähnlichkeit mit ihr oder ihrer Mutter; weder die Neigung seiner Wangenknochen oder die Konturen seines Kinns noch die geschwungene Linie seiner Lippen deuteten auf irgendeine Blutsverwandtschaft. Nicht einmal Valentin sah er ähnlich.
    »Was ist?«, fragte er. »Warum siehst du mich so an?« Am liebsten hätte sie sich ihm in die Arme geworfen und hemmungslos geweint und gleichzeitig verspürte sie den
    unwiderstehlichen Drang, mit den Fäusten auf ihn loszugehen. Stattdessen erwiderte sie leise: »Wenn dieser Vorfall am Lichten Hof nicht gewesen wäre, würde Simon jetzt noch leben.«
    Jace beugte sich vor, riss ein Büschel Gras aus dem Boden, das mitsamt Wurzeln und Erde herauskam, und warf es achtlos beiseite. »Wir wurden zu dem gezwungen, was wir getan haben. Es ist ja nicht so, als ob wir es aus Spaß gemacht hätten oder um ihn zu verletzen. Außerdem …«, fügte er mit dem Anflug eines Lächelns hinzu, »bist du meine Schwester.« »Sag das nicht so …«
    »Was, ›Schwester‹?« Er schüttelte den Kopf. »Bereits als kleiner Junge habe ich gelernt, wenn man ein Wort nur schnell genug wieder und wieder ausspricht, verliert es jegliche Bedeutung. Damals habe ich stundenlang wach gelegen und bestimmte Worte permanent wiederholt – ›Zucker‹, ›Spiegel‹, ›Flüstern‹, ›Dunkelheit‹, ›Schwester‹«, sagte er leise. »Du bist meine Schwester.«
    »Es spielt keine Rolle, wie oft du es aussprichst. Das ändert nichts am Wahrheitsgehalt.«
    »Und es spielt keine Rolle, was du mich nicht aussprechen lassen willst. Auch das ändert nichts am Wahrheitsgehalt.« »Jace!« Eine andere Stimme rief seinen Namen. Es war Alec, der leicht außer Atem auf sie zugerannt kam. Er hielt eine schwarze Plastiktüte in der Hand. Hinter ihm kam Magnus anstolziert, unglaublich groß und dünn und finster, in einem langen Ledermantel, der im Nachtwind flatterte wie die Flügel einer Fledermaus. Alec blieb vor Jace stehen und reichte ihm die Tüte. »Ich hab Blut besorgt«, keuchte er, »wie du gesagt hast.«

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