Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
dein Plan ist gut. Bring die Schattenweltler nach Brocelind und bekämpf Valentin vor den Toren Alicantes. Alles ist besser, als tatenlos zuzusehen, wie er über die Stadt hinwegwalzt. Aber genau damit rechnet er. Du wirst ihn auf diese Weise nicht überrumpeln können. Ich dagegen … ich könnte ihn überraschen. Denn vielleicht weiß er nicht, dass Sebastian beschattet wird. Das ist zumindest eine Möglichkeit und wir müssen jede Chance ergreifen, die sich uns bietet.«
»Das mag ja alles richtig sein«, erwiderte Luke. »Aber so ein Wagnis kann man unmöglich von einem Menschen allein verlangen. Nicht einmal von dir.«
»Aber verstehst du denn nicht? Ich bin der Einzige, der überhaupt dafür infrage kommt«, widersprach Jace, in dessen Stimme sich allmählich Verzweiflung schlich. »Selbst wenn Valentin merken sollte, dass ich ihn verfolge, lässt er mich vielleicht nahe genug an sich heran …«
»Nahe genug heran wofür?«
»Um ihn zu töten«, erklärte Jace. »Was denn sonst?«
Erschöpft musterte Luke den Jungen, der eine Stufe unter ihm stand. Er wünschte, er könnte irgendwie durch ihn hindurchsehen und Jocelyn in ihm erkennen, so wie er sie manchmal in Clary erkannte. Aber Jace war wie immer nur er selbst - beherrscht, allein und isoliert. »Das könntest du?«, fragte Luke. »Du könntest deinen eigenen Vater töten?«
»Ja«, bestätigte Jace, mit einer Stimme, die so entfernt klang wie ein Echo. »Kommt jetzt der Moment, in dem du mir sagst, dass ich ihn nicht töten kann, weil er immerhin mein Vater ist und weil Vatermord ein unverzeihliches Verbrechen darstellt?«
»Nein. Dies ist der Moment, in dem ich dir sage, dass du dir deiner Fähigkeiten absolut sicher sein musst«, erwiderte Luke und erkannte dabei zu seiner eigenen Überraschung, dass ein Teil von ihm längst akzeptiert hatte, dass Jace seinen Plan ohnehin ausführen würde - und dass er ihn nicht daran hindern wollte. »Du kannst nicht einfach alle Brücken hinter dir niederreißen und Valentin mutterseelenallein jagen, nur um dann im letzten Moment zu versagen.«
»Keine Sorge«, sagte Jace, »glaub mir, ich bin dazu fähig.« Sein Blick wanderte von Luke hinunter zum Platz, auf dem sich bis zum Tag zuvor noch die Leichen gestapelt hatten. »Mein Vater hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Und dafür hasse ich ihn. Oh ja, ich kann ihn töten. Dafür hat er selbst gesorgt.«
Luke schüttelte den Kopf. »Ganz gleich, wie er dich erzogen hat, Jace, du hast dagegen angekämpft. Er hat dich nicht korrumpieren können …«
»Nein«, erwiderte Jace, »das brauchte er auch gar nicht.« Prüfend schaute er zum Himmel hinauf, der inzwischen von blaugrauen Streifen überzogen war. In den Bäumen rund um den Platz hatten die ersten Vögel ihren Morgengesang angestimmt. »Ich sollte mich besser auf den Weg machen.«
»Gibt es irgendetwas, das ich den Lightwoods ausrichten soll?«
»Nein. Nein, sag ihnen gar nichts. Sie würden dir doch nur Vorwürfe machen, wenn sie davon erfahren sollten, dass du von meinem Plan wusstest und mich trotzdem hast gehen lassen. Ich habe ihnen eine Nachricht hinterlassen«, fügte er hinzu. »Sie werden es schon selbst herausfinden.«
»Und warum …«
»… hab ich dir das alles dann erzählt? Weil ich will, dass du es weißt. Ich möchte, dass du es im Hinterkopf behältst, wenn du deinen Schlachtplan schmiedest… Dass ich dort draußen bin und nach Valentin suche. Wenn ich ihn finde, schick ich dir eine Nachricht.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über Jace’ Gesicht. »Betrachte mich einfach als deinen Ausweichplan.«
Luke beugte sich nach unten und ergriff die Hand des Jungen. »Wenn dein Vater nicht der wäre, der er ist, wäre er sehr stolz auf dich«, sagte er.
Einen Moment lang wirkte Jace überrascht, doch genauso schnell errötete er und zog seine Hand zurück. »Wenn du wüsstest…«, setzte er an, biss sich dann aber auf die Lippe. »Ach, schon gut. Alles Gute, Lucian Graymark. Ave atque vale.«
»Lass uns hoffen, dass dies kein endgültiger Abschied wird«, erwiderte Luke. Die Sonne war inzwischen über den Bäumen aufgestiegen, und als Jace den Kopf hob, um gegen die plötzliche Lichtfülle anzublinzeln, zeichnete sich etwas auf seinem Gesicht ab - eine Mischung aus Verletzlichkeit und störrischem Stolz, die in Luke eine Saite zum Klingen brachte. »Du erinnerst mich an jemanden«, platzte er, ohne nachzudenken, heraus. »An jemanden, den ich verjähren gekannt
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