Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
wissen, in welche Richtung er gegangen ist?«
»Aber es muss doch einen Weg geben …«
»Wir könnten versuchen, ihn zu orten. Aber Jace ist nicht blöd. Er wird eine Möglichkeit gefunden haben, eine Ortungsrune zu blockieren, genau wie Sebastian.«
Eine kalte Wut regte sich in Clarys Brust. »Ich frage mich, ob du ihn überhaupt finden willst! Interessiert es dich überhaupt, dass er zu einem Vorhaben aufgebrochen ist, bei dem es sich im Grunde um ein Himmelsfahrtskommando handelt? Er kann Valentin unmöglich allein gegenübertreten.«
»Wahrscheinlich nicht«, räumte Isabelle ein. »Aber ich bin mir sicher, dass Jace seine Gründe hat…«
»Gründe wofür? Sterben zu wollen?«
»Clary.« Isabelles Augen funkelten in einem plötzlichen Anfall von Wut. »Glaubst du ernsthaft, dass wir anderen uns hier in Sicherheit befinden? Wir alle warten nur darauf, zu sterben oder in Knechtschaft gestürzt zu werden. Kannst du dir das wirklich vorstellen, dass Jace einfach nur herumsitzt und abwartet, bis etwas Schreckliches passiert? Siehst du ihn tatsächlich auf diese Weise …«
»Das Einzige, was ich sehe, ist die Tatsache, dass Jace genauso dein Bruder ist, wie Max es war«, erwiderte Clary. »Und bei ihm hat es dich interessiert, was mit ihm passiert ist«, fügte sie hinzu, bereute ihre Worte aber noch im selben Moment.
Isabelles Gesicht wurde kreidebleich, als hätten Clarys Worte ihrer Haut sämtliche Farbe entzogen. »Max«, konterte sie mit mühsam beherrschter Wut, »war ein kleiner Junge, kein Krieger - er war neun Jahre alt. Jace ist ein Schattenjäger, ein Soldat. Glaubst du, dass Alec nicht in die Schlacht ziehen wird, wenn wir gegen Valentin kämpfen? Glaubst du wirklich, dass nicht jeder Einzelne von uns jederzeit bereit ist zu sterben, falls es sein muss, falls die Sache es erfordert? Valentin ist Jace’ Vater. Von uns allen hat Jace vermutlich die größte Chance, nahe genug an ihn heranzukommen, um das zu tun, was getan werden muss …«
»Valentin wird Jace töten, wenn es darauf ankommt«, entgegnete Clary. »Er wird ihn nicht verschonen.«
»Ich weiß.«
»Aber das spielt alles keine Rolle, solange Jace nur heldenhaft stirbt? Wird er dir denn überhaupt nicht fehlen?«
»Jace wird mir jeden einzelnen Tag fehlen«, sagte Isabelle, »und zwar für den Rest meines Lebens, was vermutlich - falls Jace versagt - noch etwa eine Woche dauern wird; da wollen wir uns doch mal nichts vormachen.« Verärgert schüttelte sie den Kopf. »Du kapierst es nicht, Clary. Du verstehst einfach nicht, wie es ist, im ständigen Kriegszustand zu leben, mit Schlachten und Opfern aufzuwachsen. Vermutlich ist das nicht deine Schuld. Du bist einfach nur nicht so erzogen …«
Abwehrend hielt Clary die Hände hoch. »Oh doch, ich verstehe sehr gut. Ich weiß, du magst mich nicht, Isabelle. Weil ich für dich immer noch eine Irdische bin.«
»Du glaubst, das wäre der Grund …?«Isabelle verstummte. Ihre Augen glänzten, aber nicht vor Wut, wie Clary überrascht feststellte, sondern vor Tränen. »Gott, du kapierst aber auch gar nichts, oder? Seit wann kennst du Jace? Seit einem Monat? Ich kenne ihn seit sieben Jahren. Und in all diesen Jahren habe ich nicht ein einziges Mal erlebt, dass er sich verliebt hätte oder dass er jemand anderen auch nur gemocht hätte. Natürlich hat er sich mit etlichen Mädchen verabredet. Und die haben sich auch jedes Mal in ihn verliebt, aber ihn hat das völlig kaltgelassen. Ich vermute, das ist auch der Grund, weshalb Alec gedacht hat …« Isabelle unterbrach sich, hielt sich einen Moment kerzengerade und rührte sich nicht von der Stelle. Sie versucht, nicht zu weinen, dachte Clary verwundert - Isabelle, die immer den Eindruck erweckte, als würde sie niemals in Tränen ausbrechen. »Jace’ Verhalten hat mir ziemliche Sorgen gemacht und meiner Mutter auch … Ich meine, welcher Jugendliche verknallt sich nicht wenigstens mal in jemanden? Es schien, als wäre er in Bezug auf andere Menschen irgendwie empfindungslos. Ich hab gedacht, das läge vielleicht daran, dass der brutale Tod seines Vaters ihm möglicherweise einen dauerhaften Schaden zugefügt hat, dass er vielleicht niemals einen anderen Menschen würde lieben können. Wenn ich damals gewusst hätte, was tatsächlich mit seinem Vater passiert ist - aber dann wäre ich wahrscheinlich auch zu keinem anderen Schluss gekommen, oder? Denn mal ehrlich: Wer würde bei dieser Geschichte keinen Schaden nehmen?
Und
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