Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
bekriegenden Schattenweltler - wenn sie das doch nur begreifen würden. Vielleicht wären sie alle ja tatsächlich besser dran, wenn sie ihre Probleme durch Kämpfen lösen würden, so wie sein Rudel…
Plötzlich erregte eine rasche Bewegung vor den Türen der Halle Lukes Aufmerksamkeit. Das Ganze hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, und wenn der Mond nicht fast voll gewesen wäre, hätte er die Bewegung vielleicht nicht einmal bemerkt oder die Gestalt erkannt, die auf den Stufen vor der Halle unruhig auf und ab lief. Einen Moment lang fragte Luke sich, ob er sich das vielleicht eingebildet hatte - manchmal, wenn er sehr erschöpft war, glaubte er, Jocelyn zu sehen, in den Tiefen eines Schattens, im Spiel des Lichts auf einer Mauer.
Aber die Gestalt dort draußen war nicht Jocelyn. Rasch erhob Luke sich von seinem Platz. »Ich geh mal fünf Minuten an die frische Luft. Bin gleich wieder zurück.« Er spürte, wie die anderen ihm nachsahen, während er zur Tür marschierte - alle, sogar Amatis. Senhor Monteverde flüsterte seiner Frau etwas auf Portugiesisch zu; Luke schnappte das Wort »lobo« auf, den Begriff für »Wolf«. Wahrscheinlich denken sie, dass ich nach draußen gehe, um im Kreis zu rennen und den Mond anzuheulen.
Die Luft vor der Halle war kalt und frisch; der Himmel schimmerte in einem Schiefergrau. Im Osten tönte die Morgendämmerung den Horizont leicht rötlich und tauchte die weißen Marmorstufen in einen rosa Schein. Am Fuß der Treppe wartete Jace auf ihn. Seine weiße Trauerkleidung versetzte Luke einen heftigen Stich - eine Ermahnung an all die Toten, die sie bereits zu beklagen hatten und an jene, die vermutlich bald fallen würden.
Luke blieb ein paar Stufen oberhalb von Jace stehen. »Was machst du hier, Jonathan?«
Als Jace schwieg, verfluchte Luke sich innerlich für seine Vergesslichkeit - Jace mochte es nicht, wenn man ihn Jonathan nannte, und reagierte darauf normalerweise mit einer scharfen Bemerkung. Doch dieses Mal schien es ihn überhaupt nicht zu interessieren. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war so fest entschlossen wie der auf den Mienen sämtlicher Schattenjäger in der Abkommenshalle. Obwohl ihn noch ein ganzes Jahr vom Eintritt ins Erwachsenenalter trennte, hatte er in seinem kurzen Leben schon schlimmere Dinge gesehen, als die meisten Erwachsenen sich auch nur vorstellen konnten.
»Suchst du deine Eltern?«, fragte Luke.
»Du meinst die Lightwoods?« Jace schüttelte den Kopf. »Nein. Ihretwegen bin ich nicht hier. Ich muss mit dir reden.«
»Geht es um Clary?« Luke stieg ein paar Stufen hinunter, bis er direkt oberhalb von Jace stand. »Ist mit ihr alles in Ordnung?«
»Es geht ihr gut.« Bei der Erwähnung von Clarys Namen schienen Jace’ Züge sich zu verkrampfen, was wiederum Lukes geschärfte Sinne alarmierte; aber andererseits würde Jace niemals behaupten, dass es Clary gut ginge, wenn das nicht der Fall wäre.
»Worum geht es denn dann?«, fragte er.
Jace schaute an ihm vorbei, in Richtung Eingangstür der Abkommenshalle. »Und, wie läuft’s da drinnen? Kommt ihr voran?«
»Nein, nicht besonders gut«, räumte Luke ein. »So wenig die Schattenjäger sich Valentin ergeben wollen, so wenig passt ihnen die Vorstellung, dass Schattenweltler in die Kongregation berufen werden könnten. Aber ohne eine feste Zusage für einen Sitz in der Kongregation werden meine Leute nicht kämpfen.«
Jace’ Augen funkelten. »Der Rat wird diese Idee hassen.«
»Er braucht sie ja nicht zu lieben - sie muss ihm nur besser gefallen als die Vorstellung eines kollektiven Selbstmords.«
»Wie ich den Rat kenne, werden die Mitglieder versuchen, sich nicht festzulegen«, erklärte Jace. »Wenn ich du wäre, würde ich ihnen ein Ultimatum stellen. Mit klaren Zeitvorgaben kommt der Rat besser zurecht.«
Luke musste über diesen Ratschlag grinsen. »Sämtliche Schattenweltler, die ich zusammentrommeln konnte, werden sich bei Anbruch der Dunkelheit vor dem Nordtor versammeln. Wenn der Rat bis dahin zustimmt, mit ihnen zusammen zu kämpfen, werden sie die Stadt betreten. Wenn nicht, kehren sie sofort um. Noch mehr Zeit konnte ich dem Rat nun wirklich nicht einräumen - wir schaffen es ohnehin kaum noch rechtzeitig bis Mitternacht zur Brocelind-Ebene.«
Jace pfiff durch die Zähne. »Da fährst du ja ein großes Geschütz auf. Hoffst du, dass der Anblick all dieser Schattenweltler den Rat inspirieren wird, oder willst du ihm Angst einjagen?«
»Vermutlich ein
Weitere Kostenlose Bücher