Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Dämon, kein richtiger Mensch - das ist der Grund. Aber den kann ich dir nicht verraten. Ich kann dir das Einzige, was dich verstehen lassen würde, nicht sagen.
»Jace hat schon immer gedacht, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmen würde, und deinetwegen glaubt er jetzt, dass er für immer verflucht sei. Ich hab gehört, wie er das zu Alec gesagt hat. Warum sollte man nicht sein Leben riskieren, wenn man sowieso nicht mehr leben will? Warum sollte man nicht sein Leben riskieren, wenn man doch nie wieder glücklich sein wird, ganz gleich, was man auch versucht?«
»Isabelle, das reicht jetzt.« Die Küchentür hatte sich fast lautlos geöffnet und Simon stand im Türrahmen. Clary hatte ganz vergessen, wie viel schärfer sein Gehör seit der Verwandlung war. »Das ist nicht Clarys Schuld.«
Heiße Wut verfärbte Isabelles Gesicht. »Halt dich da raus, Simon! Du hast keine Ahnung, worum’s hier geht.«
Doch Simon trat einen Schritt in die Küche und schloss die Tür hinter sich. »Ich hab genug von dem gehört, was du gesagt hast«, erwiderte er sachlich. »Sogar durch die Wand. Du hast gesagt, du wüsstest nicht, was Clary empfinden würde, weil du sie nicht lange genug kennst. Aber ich kenne sie. Wenn du glaubst, Jace sei der Einzige, der hier leidet, dann hast du dich geirrt.«
Einen Moment lang herrschte Stille und der wütende Ausdruck verschwand allmählich aus Isabelles Gesicht. In der Ferne glaubte Clary zu hören, wie jemand an die Haustür klopfte: Luke vermutlich oder Maia, die weiteres Blut für Simon brachte.
»Nicht meinetwegen ist Jace aufgebrochen«, setzte Clary an und ihr Herz begann, wie wild zu schlagen. Kann ich ihnen Jace’ Geheimnis anvertrauen, jetzt, da er verschwunden ist? Kann ich ihnen den wahren Grund für seinen Aufbruch verraten, den wahren Grund dafür, dass es ihm egal ist, ob er stirbt? Im nächsten Moment schienen die Worte nur so aus ihr herauszuströmen, fast gegen ihren Willen: »Als Jace und ich den Landsitz der Waylands aufgesucht haben … um das Weiße Buch zu finden …«
Im nächsten Moment verstummte sie jedoch, als jemand die Küchentür mit Schwung aufstieß. Amatis stürmte herein, mit einem äußerst merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Einen Augenblick lang dachte Clary, Amatis hätte Angst, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Doch dann erkannte sie, dass es sich nicht um einen Ausdruck der Furcht handelte. Amatis sah vielmehr so aus wie an jenem Abend, als Luke und Clary plötzlich bei ihr aufgetaucht waren. Sie sah aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen. »Clary«, sagte sie langsam. »Da ist jemand, der dich sprechen will …«
Doch noch bevor sie ihren Satz beenden konnte, schob sich der Besucher an ihr vorbei in die Küche. Amatis ging einen Schritt zur Seite, sodass Clary einen Blick auf den Eindringling werfen konnte - eine schlanke, vollkommen in Schwarz gekleidete Frau. Zunächst sah Clary nur die Schattenjägermontur und hätte die Frau fast nicht erkannt… Erst in dem Moment, als ihr Blick bis zum Gesicht der Frau gewandert war, wurde es ihr schlagartig klar und sie spürte, wie ihr Magen einen Satz machte - genau wie damals, als Jace mit dem Motorrad über die Dachkante des Hotel Dumort gerast und sechs Stockwerke in die Tiefe gesaust war. Vor ihr stand ihre Mutter.
TEIL DREI
DER WEG ZUM HIMMEL
Oh ja, ich weiß, der Weg zum Himmel war leicht.
Wir fanden das kleine Reich unserer Leidenschaft,
das all jene teilen können, die den Weg der Liebenden gehn.
In wildem, heimlichem Glück taumelten wir;
und Götter und Dämonen tobten in unseren Sinnen.
SIEGFRIEDSASSOON , »The Imperfect Lover«
16
G LAUBENSARTIKEL
Seitdem Abend, an dem ihre Mutter verschwunden war, hatte Clary sie sich immer wieder vorgestellt - wohlauf und gesund. Sie hatte diese Bilder so oft vor ihrem inneren Auge abgerufen, dass sie fast schon ein wenig abgenutzt wirkten, wie ein Foto, das man zu oft hervorgeholt und betrachtet hatte. Und genau diese Wunschvorstellungen stiegen nun wieder in ihr auf, noch während sie Jocelyn ungläubig anstarrte - Bilder, in denen ihre gesunde, glückliche Mutter sie in den Arm nahm und ihr erzählte, wie sehr sie ihr gefehlt habe, aber dass jetzt alles wieder gut werden würde.
Doch die Mutter in Clarys Wunschvorstellungen besaß nur wenig Ähnlichkeit mit der Frau, die nun direkt vor ihr stand. Clary hatte Jocelyn als sanfte, künstlerisch veranlagte Person in Erinnerung, als ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher