Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
mit all den Aktivitäten um uns herum, all derLeidenschaft. Und bei allem war ich immer an Valentins Seite. Er hat mir nie das Gefühl gegeben, ich wäre nebensächlich oder unbedeutend. Nein, ich besaß eine Schlüsselposition innerhalb des Kreises. Ich gehörte zu den wenigen, auf deren Meinung er vertraute. Wieder und wieder hat er mir erklärt,dass er ohne mich nichts von alldem tun könne. Ohne mich wäre er ein Niemand.«
»Das hat er gesagt?«, fragte Clary ungläubig. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Valentin so etwas jemals über die Lippen bringen würde - etwas, das ihn so verwundbar klingen ließ.
»Ja, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Valentin hätte niemals ein Niemand sein können. Er war dazu geboren, andere zu führen, im Zentrum einer Revolution zu stehen. Im Laufe der Zeit stießen immer mehr bekehrte Schattenjäger zu ihm, magisch angezogen von seiner Leidenschaft und seinen brillanten Ideen. Damals sprach er nur selten von den Schattenweltlern. In jenen frühen Anfangstagen ging es ihm vorrangig um eine Reform des Rats, um die Veränderung von Gesetzen, die er für überholt und starr und falsch hielt. Valentin meinte, es müsse mehr Schattenjäger geben, mehr Nephilim, um die Dämonen zu bekämpfen, mehr Institute … und dass wir uns weniger Sorgen darum machen müssten, uns zu verstecken, als die Erde vor den Dämonen zu schützen. Dass wir stolz und aufrecht durch die Welt gehen sollten. Seine Vision war verführerisch: eine Welt voller Schattenjäger, in der Dämonen schreiend davonliefen und in der Irdische uns für unsere Taten dankten, statt unsere Existenz zu bezweifeln. Wir waren jung; wir dachten, Dankbarkeit wäre wichtig. Wir wussten es nicht besser.« Jocelyn holte tief Luft, als wolle sie unter Wasser tauchen. »Und dann wurde ich schwanger.«
Plötzlich spürte Clary einen eisigen Schauer über den Rücken jagen und war sich nicht mehr sicher, ob sie noch länger die Wahrheit aus dem Mund ihrer Mutter hören wollte … Vonihr erneut erfahren wollte, wie Valentin Jace in ein Monster verwandelt hatte. »Mom …«, setzte sie an.
Doch Jocelyn schüttelte blind den Kopf. »Du hast mich gefragt, warum ich dir nie erzählt habe, dass du einen Bruder hast. Das kann ich dir erklären.« Erneut holte sie tief Luft. »Als ich herausfand, dass ich ein Kind erwartete, war ich überglücklich. Und Valentin … er habe schon immer Vater werden wollen, verkündete er, um seinen Sohn zu einem Krieger zu erziehen, genau wie sein Vater ihn erzogen hatte. >Oder deine Tochter<, warf ich dann immer ein, woraufhin er lächelte und meinte, eine Tochter könne eine ebenso gute Kriegerin werden wie ein Junge und er würde sich über beides freuen. Damals dachte ich, alles wäre einfach perfekt.
Doch dann wurde Luke von einem Werwolf gebissen. Es heißt, bei einem von zwei Gebissenen bestünde das Risiko, dass er an Lykanthropie erkrankt. Aber ich denke, dass das Verhältnis eher bei dreien von vier liegt. Nur äußerst selten habe ich erlebt, dass jemand der Krankheit entkommen konnte, und auch Luke war keine Ausnahme. Beim darauf folgenden Vollmond vollzog sich seine Verwandlung zum Werwolf. Als er am nächsten Morgen vor unserer Haustür auftauchte, war er blutüberströmt und seine Kleidung vollkommen zerrissen. Ich wollte ihn trösten, aber Valentin hielt mich zurück. >Jocelyn<, sagte er, >denk an das Baby.< Als ob Luke sich jeden Moment auf mich stürzen und mir das Kind aus dem Leib reißen wollte! Ich meine, er war doch immer noch Luke, mein Freund Luke. Doch Valentin stieß mich aus dem Weg und zerrte Luke die Stufen hinunter und hinein in die Wälder. Als Valentin viele Stunden später zurückkehrte, war er allein. Ich binsofort zu ihm gelaufen, doch er meinte, Luke hätte sich das Leben genommen, aus Verzweiflung über seine Lykanthropie. Und dass er… dass er tot sei.«
Der Kummer ließ Jocelyns Stimme rau und heiser klingen, überlegte Clary, selbst in diesem Moment noch, wo sie doch wusste, dass Luke nicht gestorben war. Aber Clary erinnerte sich an ihre eigene Verzweiflung, als sie Simon festgehalten hatte und er auf den Stufen des Instituts in ihren Armen gestorben war. Es gab Gefühle, die vergaß man nie mehr.
»Allerdings hatte Valentin Luke lediglich einen Dolch gegeben und ihn aufgefordert, sich selbst zu töten«, ergänzte Clary mit leiser Stimme. »Und dann hat er Amatis’ Ehemann dazu gebracht, sich von ihr scheiden zu lassen, nur weil ihr
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