Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Dochstattdessen kam nur eine Art röchelndes Gurgeln aus Jace’ Mund.
»Nicht reden«, murmelte Isabelle und Jace spürte ein Brennen auf seiner Brust, dort wo sie die Spitze ihrer Stele ansetzte. »Du wirst schon wieder.« Isabelle bemühte sich um ein tapferes Lächeln. »Wahrscheinlich fragst du dich, was zum Teufel ich hier tue«, fuhr sie fort. »Ich weiß nicht, wie viel du inzwischen weißt … ich habe auch keine Ahnung, was Sebastian dir erzählt hat… aber du bist nicht Valentins Sohn.« Die Heilrune war inzwischen fast fertiggestellt; Jace konnte bereits spüren, wie seine Schmerzen nachließen. Er nickte leicht, versuchte, ihr mitzuteilen: Ich weiß. »Na, jedenfalls hatte ich eigentlich gar nicht vor, dir zu folgen, weil du das in deinem Brief ja geschrieben hattest und ich das auch eingesehen habe. Aber ich konnte dich doch nicht sterben lassen in dem Glauben, du hättest Dämonenblut in dir … und ohne dir zu sagen, dass mit dir alles in Ordnung ist, obwohl, mal ehrlich, wie konntest du so was Dämliches überhaupt jemals glauben …« Isabelles Hand zitterte und sie musste innehalten, um die Rune nicht zu ruinieren. »Außerdem musstest du doch erfahren, dass Clary nicht deine Schwester ist«, fuhr sie etwas weniger aufgewühlt fort. »Denn schließlich … schließlich hast du das immer angenommen. Also habe ich Magnus gebeten, dich für mich zu orten. Dafür haben wir den kleinen Holzsoldaten benutzt, den du Max geschenkt hast. Normalerweise hätte Magnus so was sicher nicht getan, aber sagen wir einfach mal, er war ungewöhnlich guter Laune… und vielleicht lag es ja auch daran, dass ich ihm erzählt habe, Alec hätte ihn um diesen Gefallen gebeten - was genau genommen nicht ganz richtig ist, aber es wird eine Weile dauern, bis er das herausfindet. Und als ich dann erst mal wusste, wo du warst… na ja, Magnus hatte ja bereits ein Portal geöffnet und ich bin ziemlich gut im Anschleichen …«
Im nächsten Moment schrie Isabelle laut auf. Jace griff nach ihr, doch sie war bereits außerhalb seiner Reichweite, wurde hochgerissen und zur Seite geschleudert. Ihre Peitsche fiel zu Boden. Mühsam kam die Schattenjägerin wieder auf alle viere, doch Sebastian stand schon vor ihr, mit loderndem Hass in den Augen und einen blutigen Stofffetzen um seinen Handstumpf gewickelt. Sofort warf Isabelle sich auf ihre Peitsche, aber Sebastian war schneller: Er trat nach ihr und sein Stiefel traf sie mit voller Wucht gegen den Brustkorb. Jace glaubte, Isabelles Rippen brechen zu hören, als sie zurückprallte und seltsam verkrümmt auf der Seite landete. Und dann hörte er sie schreien - Isabelle, die niemals vor Schmerzen schrie -, als Sebastian sie erneut trat, anschließend nach ihrer Peitsche griff und sie prüfend schwang.
Entschlossen rollte Jace sich auf die Seite. Die fast fertiggestellte Heilrune hatte geholfen, doch er spürte noch immer starke Schmerzen in der Brust, spuckte Blut und wusste - auf seltsam distanzierte Weise -, dass seine Lunge punktiert sein musste. Er war sich nicht sicher, wie viel Zeit ihm noch blieb - wenige Minuten vielleicht. Langsam kroch er zu der Stelle, wo Sebastian den Dolch hatte fallen lassen, direkt neben den grausigen Überresten seiner Hand. Dann kam erwacklig auf die Füße. Der Geruch von Blut war überall. Sofort musste er an Magnus’ Vision denken - die Welt in Blut getränkt - und seine blutverschmierte Hand schloss sich um den Griff des Dolchs.
Unsicher machte er einen Schritt vorwärts. Dann noch einen. Jeder Schritt fühlte sich an, als ob er durch Beton waten würde. Isabelle schrie und verfluchte Sebastian, der höhnisch lachend die Peitsche auf ihren Körper hinabsausen ließ. Ihre Schmerzensschreie zogen Jace vorwärts wie einen Fisch am Haken, doch sie schienen bei jedem seiner Schritte schwächer zu werden. Stattdessen begann sich die Welt um ihn herum immer schneller zu drehen, wie auf einem Karussell.
Nur noch ein Schritt, sagte er sich. Und noch einer. Sebastian hatte ihm den Rücken zugedreht; seine ganze Konzentration war auf Isabelle gerichtet. Wahrscheinlich hielt er Jace schon für tot - was auch beinahe stimmte. Noch ein Schritt… doch Jace schaffte es nicht mehr, konnte sich nicht bewegen, konnte seine Füße nicht dazu zwingen, einen weiteren Schritt vorwärts zu tun. Und wieder überflutete Dunkelheit sein Blickfeld - eine viel tiefere Finsternis als die Schatten des Schlafs. Eine Finsternis, die alles auslöschen würde,
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