Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
überrascht, als hätte ihn ein vermeintlich zahmes Haustier gebissen.
»Bis hierher war es noch Spaß«, sagte Sebastian. »Doch das ist jetzt vorbei.«
Damit warf er sich auf Jace, packte ihn an den Hüften und stieß ihn vom Ast. In einer wütenden Umklammerung stürzten die beiden sechs Meter tief- und landeten krachend auf dem Boden, so hart, dass Jace Sterne vor den Augen sah. Doch im nächsten Moment bekam er Sebastians verletzten Arm zu fassen und grub seine Finger tief in die Wunde. Sebastian schrie auf und schlug Jace mit dem Handrücken ins Gesicht. Jace’ Mund füllte sich mit salzig schmeckendem Blut und ermusste würgen, während sie beide durch das Gras und den Staub rollten und aufeinander einschlugen.
Plötzlich traf ihn eisige Kälte wie ein Schock: Sie waren den leichten Abhang zum Fluss hinuntergerollt und lagen nun halb im Wasser. Sebastian schnappte keuchend nach Luft, doch Jace ergriff die Gelegenheit, ihn an der Kehle zu packen, seine Hände darum zu schließen und immer fester zuzudrücken. Würgend bekam Sebastian Jace’ rechtes Handgelenk zu fassen und riss es so brutal zurück, dass die Knochen knackten. Wie aus weiter Entfernung hörte Jace sich selbst schreien und Sebastian nutzte seinen Vorteil und verdrehte die gebrochene Hand gnadenlos, bis Jace von ihm abließ und rückwärts in den kalten Schlamm des Flussufers fiel, gepeinigt von unerträglichen Schmerzen im Arm.
Einen Sekundenbruchteil später kniete Sebastian halb auf Jace’ Brust, presste ihm das andere Knie in die Rippen und starrte mit höhnischem Grinsen auf ihn hinab. Seine Augen leuchteten weiß und schwarz in seinem mit Schlamm und Blut verschmierten Gesicht und irgendetwas glitzerte in seiner rechten Hand - Jace’ Dolch. Sebastian musste ihn auf dem Boden gefunden haben. Die Spitze zeigte direkt auf Jace’ Herz.
»Und damit sind wir genau dort, wo wir vor fünf Minuten auch schon waren«, höhnte Sebastian. »Du hattest deine Chance, Wayland. Irgendwelche letzten Worte?«
Jace starrte ihn an. Sein Mund war voller Blut; Schweiß brannte ihm in den Augen und er fühlte nichts mehr außer tiefer, abgrundtiefer Erschöpfung. Würde er auf diese Weise also sterben?
»Wayland?«, keuchte er. »Du weilst doch, dass das nicht mein Name ist.«
»Du hast genauso viel Recht auf diesen Namen wie auf den Namen Morgenstern«, erwiderte Sebastian. Dann beugte er den Oberkörper vor und verstärkte den Druck auf den Dolch, dessen Spitze sich in Jace’ Haut bohrte und einen stechenden Schmerz durch seinen Körper jagte. Sebastians Gesicht war jetzt nur noch Zentimeter entfernt und seine Stimme klang wie ein zischendes Flüstern: »Hast du wirklich geglaubt, du wärst Valentins Sohn? Hast du tatsächlich gedacht, ein jämmerliches, erbärmliches Etwas wie du hätte das Recht, den Namen Morgenstern zu tragen, mein Bruder zu sein?« Mit einem Kopfschütteln warf er sein weißes Haar zurück, das vor Schweiß und Flusswasser klebte. »Du bist ein Wechselbalg«, fuhr er fort. »Mein Vater hat einen Leichnam geschlachtet, um an dich heranzukommen und dich dann in eines seiner Experimente zu verwandeln. Er hat versucht, dich als seinen eigenen Sohn großzuziehen, aber du warst zu schwach, um für ihn von Nutzen zu sein. Aus dir wäre nie ein Krieger geworden. Du warst ein Nichts. Nutzlos. Also hat er dich den Lightwoods angedreht, in der Hoffnung, dass du irgendwann in der Zukunft für ihn von Nutzen sein könntest, als Lockvogel oder als Köder. Er hat dich nie geliebt.«
Jace blinzelte, um das Brennen aus seinen Augen zu vertreiben. »Dann bist du …«
»Ich bin Valentins Sohn. Jonathan Christopher Morgenstern. Du hattest nie das Recht, diesen Namen zu tragen. Du bist ein Geist. Ein Heuchler.« Sebastians Augen waren schwarz und glänzend, wie die Rückenpanzer toter Insekten, und plötzlich hörte Jace wie im Traum die Stimme seiner Mutter - die nicht seine Mutter war: Jonathan ist kein normaler Säugling mehr. Er ist nicht einmal ein Mensch - er ist ein Monster.
»Du bist das also«, keuchte Jace. »Der Junge mit dem Dämonenblut. Nicht ich.«
»Ganz genau.« Die Dolchspitze drang immer tiefer in Jace’ Haut ein. Sebastians Grinsen wirkte nun wie das Lachen eines Totenschädels. »Und du bist der Engelsjunge. Ständig musste ich mir Geschichten über dich anhören - du mit deinem hübschen Engelsgesicht und deinen guten Manieren und deinem ach so zarten Seelchen. Du konntest noch nicht
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