Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Er war kein Schattenjäger. Und doch hatte dieser Mann ihm dafür gedankt, dass er zusammen mit ihm kämpfte. Es stimmte, was er Clary gesagt hatte: Dies hier war auch seine Schlacht und er wurde hier gebraucht. Aber nicht Simon der Mensch, der sanft war und ein Bücherwurm und der den Anblick von Blut hasste, sondern Simon der Vampir, eine Kreatur, die erselbst kaum kannte.
Ein wahrer Vampir weiß, dass er tot ist, hatte Raphael gesagt. Aber Simon fühlte sich nicht tot - er hatte sich noch nie lebendiger gefühlt. Plötzlich bemerkte er eine Bewegung an der Seite und sah gerade noch rechtzeitig, wie ein weiterer Dämon bedrohlich vor ihm auftauchte. Echsenähnlich, schuppenbewehrt und mit Zähnen wie ein Nagetier stürzte er sich auf Simon, die schwarzen Krallen ausgefahren.
Blitzschnell machte Simon einen Satz, traf den massiven Rumpf des Wesens und grub ihm die Fingernägel in die Flanke, bis die Schuppen unter seinem Griff nachgaben. Das Runenmal auf seiner Stirn pulsierte, als er seine Fangzähne in den Nacken des Dämons schlug.
Es schmeckte scheußlich.Der Regen aus Glasscherben hatte aufgehört. Anstelle der Glaskuppel war nun ein Loch in der Decke, über einen Meter groß, als ob ein Meteor eingeschlagen wäre. Kalte Nachtluft wehte durch den Saal und Clary stand fröstelnd auf und fegte sich die Glassplitter von der Kleidung.
Das Elbenlicht, das die Halle erleuchtet hatte, war erloschen und nun lag der Raum düster, staubig und voller Schatten vor ihr. Durch die offenen Türen konnte sie das schwache Glühen des verblassenden Portals auf dem Platz erkennen.
Wahrscheinlich war sie hier nicht länger sicher, überlegte Clary, am besten ging sie zu den Penhallows und schloss sich Aline an. Zögernd setzte sie sich in Bewegung und hatte den Saal etwa zur Hälfte durchquert, als sie Schritte auf dem Marmorboden hörte. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich um und entdeckte Malachi, der wie ein langer, spinnenähnlicher Schatten im Halbdunkel auf das Podium zusteuerte. Was machte er noch hier? Hätte er nicht längst mit den anderen Schattenjägern auf dem Schlachtfeld sein sollen?
Als er sich dem Podium näherte, bemerkte sie etwas, das sie rasch die Hand vor den Mund schlagen ließ, um nicht überrascht aufzuschreien. Auf Malachis Schulter kauerte ein dunkler Schatten. Ein Vogel. Ein Rabe, um genau zu sein.
Hugo.
Clary duckte sich hinter eine Säule, während Malachi die Stufen zum Podium hinaufstieg. In der Art und Weise, wie er sich umschaute, lag etwas unverkennbar Schuldbewusstes. Offensichtlich beruhigt, dass ihn niemand beobachtete, zog er einen kleinen, glitzernden Gegenstand aus der Tasche und streifte ihn über einen Finger. Ein Ring? Er fasste danach unddrehte ihn und Clary erinnerte sich daran, wie Hodge in der Bibliothek des Instituts Jace einen Ring vom Finger gezogen hatte …
Die Luft vor Malachi begann, schwach zu flimmern, wie vor Hitze. Dann hörte Clary eine Stimme, eine wohlbekannte Stimme, ruhig und kultiviert, jedoch mit einem Anflug von Verärgerung.
»Was gibt es, Malachi? Ich bin im Augenblick nicht in der Stimmung für ein Schwätzchen.«
»Valentin, mein Gebieter«, sagte Malachi. Seine übliche Feindseligkeit war einer kriecherischen Unterwürfigkeit gewichen. »Hugin hat mir soeben Neuigkeiten gebracht. Ich nehme an, dass Ihr Euch bereits beim Spiegel befindet und dass er mich deshalb an Eurer Stelle aufsuchte. Ich dachte, dass Euch das interessieren würde.«
»Nun gut«, erwiderte Valentin kurz angebunden. »Welche Neuigkeiten?«
»Es geht um Euren Sohn, mein Herr. Euren anderen Sohn. Hugin hat ihn bis ins Tal der Höhle verfolgt. Er könnte Euch sogar durch die Tunnel zum See gefolgt sein.«
Clarys Hände umkrampften die Säule so stark, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Die beiden sprachen über Jace.
Valentin räusperte sich. »Hat er seinen Bruder dort getroffen?«
»Hugin sagt, er habe die beiden kämpfend zurückgelassen.«
Clary spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte. Jace im Kampf mit Sebastian? Sie musste daran denken, wie Sebastian Jace in der Garnison hochgehoben und weggeschleudert hatte wie eine Feder. Eine Woge der Panik stieg in ihr auf, so stark,dass ihr die Ohren sausten. Bis sie sich wieder gefangen hatte, war ihr die Antwort Valentins entgangen.
»Ich sorge mich um diejenigen, die noch zu jung sind zum Kämpfen, aber schon alt genug, umRunen zu tragen«, sagte Malachi gerade.
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