Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
hierhergebracht?«
»Aus zwei Gründen«, erwiderte Sebastian. »Zum einen hat es mir gefallen, dich bewusstlos zu schlagen. Zum anderen wäre es schlecht für uns beide, wenn Blut auf den Boden der Höhlekäme - glaub mir. Und ich habe vor, dein Blut in alle Himmelsrichtungen zu verspritzen.«
Jace griff nach seinem Gürtel und sein Mut sank. Entweder hatte er die meisten seiner Waffen verloren, als Sebastian ihn durch die Tunnel geschleift hatte, oder - und das war wahrscheinlicher - Sebastian hatte sie weggeworfen. Ihm war nur ein Dolch geblieben, mit einer kurzen Klinge. Damit würde er gegen das Schwert keine Chance haben.
»Nicht gerade eine beeindruckende Waffe«, meinte Sebastian grinsend; sein Gesicht leuchtete weiß im gesprenkelten Mondlicht.
»Damit kann ich nicht kämpfen«, sagte Jace und versuchte, dabei so jämmerlich und nervös zu klingen wie nur möglich.
»Wie schade.« Sebastian kam langsam näher, noch immer breit grinsend. Er hielt sein Schwert bewusst locker, gespielt unbekümmert, während seine Finger einen leisen Rhythmus auf dem Heft klopften. Jetzt oder nie, dachte Jace - eine bessere Gelegenheit würde sich ihm nicht mehr bieten. Blitzschnell holte er aus und schlug Sebastian mit aller Kraft ins Gesicht.
Knochen knirschten unter seiner Faust. Der Schlag schickte Sebastian zu Boden und er rutschte rückwärts durch den Staub, wobei das Schwert seinen Händen entglitt. Jace machte einen Satz nach vorn und fing es auf und einen Sekundenbruchteil später stand er über Sebastian, die Klinge in der Hand.
Blut sickerte aus Sebastians Nase und zeichnete eine scharlachrote Spur quer über sein Gesicht. Er hob die Hand, zog seinen Kragen zur Seite und entblößte seine blasse Kehle. »Mach schon«, sagte er. »Töte mich endlich.«
Jace zögerte. Er hatte nicht zögern wollen, doch dann spürte er ihn wieder: seinen inneren Widerstand, jemanden zu töten, der hilflos vor ihm auf dem Boden lag. Jace musste daran denken, wie Valentin ihn damals in Renwicks Ruine verspottet hatte, weil er es als Sohn nicht über sich brachte, seinen Vater zu töten - doch Jace war selbst dann nicht dazu in der Lage gewesen. Aber Sebastian war ein Mörder, der Max und Hodge auf dem Gewissen hatte…
Jace hob das Schwert.
Doch plötzlich schnellte Sebastian vom Boden hoch, schneller als das Auge die Bewegung erfassen konnte. Er schien förmlich durch die Luft zu fliegen, vollführte einen eleganten Rückwärts-Flickflack und trat dabei Jace gegen den Schwertarm. Während er graziös auf dem Gras landete, knapp einen halben Meter von Jace entfernt, segelte das Schwert durch die Luft. Sebastian fing es lachend auf und stieß dann blitzschnell zu, genau in Richtung von Jace’ Herz. Aber Jace machte einen Satz rückwärts, sodass die Klinge ihr Ziel knapp verfehlte. Allerdings war seine Hemdenbrust aufgeschlitzt und er spürte einen stechenden Schmerz und sah, wie Blut aus einer flachen Schnittwunde auf seiner Brust hervorquoll.
Sebastian lachte leise und kam langsam auf Jace zu, der weiter zurückwich und dabei nach dem so gut wie nutzlosen Dolch an seinem Gürtel tastete. Hastig schaute er sich um, verzweifelt auf der Suche nach etwas, das er als Waffe verwenden konnte - ein langer Stock oder irgendetwas anderes. Doch um ihn herum gab es nichts als Gras, den nahen Fluss und die Bäume über ihm, deren kräftige Äste und Blätter ein dichtes grünes Netz über ihnen spannten. Plötzlich erinnerte er sich andie Maleachi-Anordnung, in der die Inquisitorin ihn gefangen hatte: Sebastian war nicht der Einzige, der gut springen konnte.
Erneut schlug Sebastian mit dem Schwert nach ihm, doch Jace war bereits gesprungen - geradewegs hoch in die Luft. Der niedrigste Ast befand sich etwa sechs Meter über der Erde; er bekam ihn zu fassen, zog sich daran hoch und schwang sich hinauf. Auf dem Ast kniend sah er unter sich Sebastian, der verwirrt herumfuhr und dann nach oben schaute. Sofort schleuderte Jaceden Dolch und hörte Sebastian aufschreien. Außer Atem richtete er sich auf…
Und entdeckte Sebastian auf dem Ast neben sich. Sein sonst so blasses Gesicht war rot vor Zorn und von seinem Schwertarm tropfte Blut. Offenbar hatte er das Schwert ins Gras fallen lassen, doch damit standen ihre Chancen lediglich gleich, dachte Jace, denn sein Dolch lag ebenfalls dort unten. Allerdings bemerkte er mit leiser Befriedigung, dass Sebastian erstmals wütend wirkte - wütend und
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