Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
einfach aufgab, hatte er nicht erwartet. Ein Jace, der einfach aufgab, war etwas vollkommen Neues und Simon hatte fast ein schlechtes Gewissen, dass er diesen Gefallen überhaupt von ihm verlangt hatte. Das hat Clary gar nicht erwähnt, lag es ihm auf der Zunge. Aber anderseits: Warum sollte sie auch? Wenn er es sich recht überlegte, war sie in letzter Zeit ungewöhnlich still und in sich gekehrt gewesen, sobald Jace’ Name fiel. »Okay, das wäre dann ja geregelt«, sagte er. »Aber da ist noch eine letzte Sache.«
»Ah ja?«, fragte Jace ohne großes Interesse. »Und was soll das sein?«
»Was hat Valentin gesagt, als Clary diese Rune an die Schiffswand gezeichnet hat? Es klang irgendwie nach einer fremden Sprache. Meme soundso …?«
»Mene, Mene, Tekel, Upharsin«, sagte Jace mit einem matten Lächeln. »Das kennst du nicht? Es handelt sich um einen Spruch aus der Bibel, Vampir. Aus dem alten Teil … das ist doch dein Buch der Bücher, oder?«
»Nur weil ich Jude bin, bedeutet das noch lange nicht, dass ich das Alte Testament auswendig kann.«
»Das ist die geisterhafte Schrift an der Wand. >Gott hat die Tage deines Königtums gezählt und ihm ein Ende bereitet! Du bist auf einer Waage gewogen und als zu leicht befunden worden!« Es ist ein Omen, ein Anzeichen eines drohenden Unheils - es bedeutet den Untergang eines Königreichs.«
»Aber was hat das mit Valentin zu tun?«
»Nicht nur mit Valentin … das hat etwas mit uns allen zu tun«, sagte Jace. »Mit dem Rat und den Gesetzen. Das, wozu Clary fähig ist, wirft alles über den Haufen, was man bisher für wahr gehalten hat. Kein Mensch kann neue Runen erschaffen oder die Sorte von Runen zeichnen, die Clary zeichnen kann. Diese Macht besitzen nur Engel. Aber da Clary offensichtlich doch dazu in der Lage ist… na ja, es sieht ganz nach einem Omen aus. Die Dinge sind im Umbruch. Die Gesetzmäßigkeiten ändern sich. Die alten Vorgehensweisen werden vielleicht nie wieder die richtigen sein. So wie der Aufstand der Engel das Ende der damaligen Welt einläutete, den Himmel teilte und die Hölle erschuf, so könnte dies das Ende der Nephilim bedeuten. Dies ist unser Krieg im Himmel, Vampir, und nur eine Seite kann siegreich daraus hervorgehen. Und mein Vater setzt alles daran, dass seine Seite gewinnt.«
Obwohl die Luft ziemlich kalt war, war es Clary in ihren feuchten Sachen unheimlich heiß. Schweiß rann ihr in Strömen übers Gesicht und tränkte den Kragen ihres Capes, während Luke sie am Arm packte und in der anbrechenden Dunkelheit eilig über die staubige Straße schob. Inzwischen konnten sie die ersten Lichter von Alicante erkennen. Die Stadt lag in einer Talmulde, durch die ein silbrig glänzender Fluss strömte - es hatte den Anschein, als würde er an einem Ende der Häuserschluchten im Erdboden verschwinden und erst auf der anderen Seite wieder auftauchen. Ein Meer sandfarbener Häuser mit roten Schieferdächern schlängelte sich in einem Labyrinth schmaler, gewundener Gassen einen steilen Hügel hinauf. Und auf dem Kamm des Hügels erhob sich ein dunkles, wuchtiges Steingemäuer, mit Säulen und Zinnen und vier glitzernden Türmen - einem in jeder Himmelsrichtung. Zwischen den anderen Häusern verteilt ragten weitere dieser hohen, dünnen, kristallartigen Türme auf, die allesamt wie Quarz schimmerten. Sie erinnerten an Glasnadeln, die den Himmel durchbohrten. Das schwindende Licht der Sonne erzeugte glitzernde Regenbögen auf ihren Oberflächen, die wie Funken eines Streichholzes aufleuchteten. Es war ein wundervoller, wenngleich auch sehr seltsamer Anblick.
Erst wenn du Alicante mit seinen Gläsernen Türmen gesehen hast, weißt du überhaupt, was eine Stadt ist.
»Was war das?«, fragte Luke, der Clarys Murmeln zufällig gehört hatte. »Was hast du gerade gesagt?«
Clary war sich nicht bewusst gewesen, dass sie laut gesprochen hatte. Verlegen wiederholte sie ihre Worte, woraufhin Luke sie überrascht ansah. »Von wem hast du das?«
»Von Hodge«, erklärte Clary. »Das hat Hodge mal zu mir gesagt.«
Luke studierte sie eingehender. »Du bist ja glühend rot im Gesicht«, bemerkte er. »Wie fühlst du dich?«
Clarys Nacken schmerzte, ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen und ihr Mund war vollkommen ausgetrocknet. »Gut. Mir geht’s gut«, erwiderte sie. »Lass uns einfach weitergehen, okay?«
»Okay.« Luke deutete auf die Stadt. Am Rand, wo die Bebauung endete, konnte Clary einen Torbogen erkennen, mit
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