Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
verabschieden, bevor ich aufbreche, und ihr sagen … ihr sagen, was ich vorhabe. Und dass es ihr bald wieder gut gehen wird.«
Luke nickte. »Wir fahren nachher ins Krankenhaus. Ach ja, noch etwas, Clary …«
»Ja?« Am liebsten hätte sie Luke nicht angeschaut, doch dann stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass der traurige Ausdruck aus seinen Augen verschwunden war.
Er lächelte sogar. »So toll ist >normal< nun auch wieder nicht.«
Simon warf einen Blick auf das Papier in seiner Hand, kniff die Augen gegen die blendende Nachmittagssonne zusammen und schaute dann zur Kathedrale. Das Institut ragte hoch vor dem strahlend blauen Himmel auf - ein wuchtiges Bauwerk mit schmalen Bogenfenstern, umgeben von einer massiven Steinmauer. Groteske Fratzen grinsten ihm hämisch vom Gesims entgegen, als wollten sie ihn dazu herausfordern, sich dem Eingangsportal zu nähern. Das Gebäude wirkte völlig anders als damals, als er es zum ersten Mal gesehen hatte … wo es ihm wie eine verlassene Ruine erschienen war. Aber Zauberglanz funktionierte bei Schattenwesen nun mal nicht.
Du gehörst nicht hierher. Die Worte klangen harsch, ätzend wie Säure. Simon war sich nicht sicher, ob eine der Fratzen mit ihm sprach oder ob er seine eigene innere Stimme hörte. Dies ist eine Kirche und du bist verdammt.
»Klappe«, murmelte er halbherzig. »Außerdem interessieren mich Kirchen sowieso nicht. Ich bin Jude.«
Vor ihm tauchte ein mit filigranen Ornamenten verziertes Eisentor in der Steinmauer auf. Als Simon die Hand auf den Riegel legte, erwartete er fast, dass seine Haut verbrennen und er vor Schmerz aufschreien würde, doch nichts geschah. Anscheinend zählte das Tor noch nicht zum Geweihten Boden. Er stieß es auf und hatte bereits die Hälfte des brüchigen Steinwegs zum Hauptportal zurückgelegt, als er plötzlich Stimmen hörte - verschiedene Stimmen … vertraute Stimmen. Sie schienen ganz aus der Nähe zu kommen.
Oder auch nicht. Simon hatte beinahe vergessen, wie sehr sich sein Gehör, zusammen mit seiner Sehschärfe, seit der Verwandlung verbessert hatte. Es klang, als stammten die Stimmen von Menschen, die sich direkt hinter ihm befanden, doch als er einem schmalen Pfad um die Ostseite des Instituts herum folgte, sah er, dass die Leute tatsächlich ein ganzes Stück entfernt standen, am hinteren Ende des Geländes. Dort wuchs das Gras ungehindert über die gepflasterten Nebenpfade, die früher vermutlich einmal um ordentlich gestutzte Rosenhecken geführt hatten. Simon entdeckte sogar eine Steinbank inmitten von wild wucherndem Unkraut. Früher war dies einmal eine richtige Kirche gewesen, ehe die Schattenjäger das Gebäude übernommen hatten.
Als Ersten erblickte er Magnus, der gegen eine moosbedeckte Steinmauer lehnte. Der Hexenmeister war wie immer kaum zu übersehen. Er trug ein weißes T-Shirt mit bunten Sprenkeln zu einer regenbogenfarbenen Lederhose und wirkte wie eine exotische Orchidee inmitten der schwarz gekleideten Schattenjäger: Alec, der bleich und irgendwie unruhig aussah, Isabelle, deren lange schwarze Haare mit silbernen Bändern zu dicken Zöpfen gebunden waren, und neben ihr ein kleiner Junge. Das musste Max sein, überlegte Simon, der Jüngste der Familie Lightwood. Nicht weit von den Geschwistern stand ihre Mutter, die wie eine größere, hagerere Version ihrer Tochter wirkte, mit den gleichen langen schwarzen Haaren. Neben ihr wartete eine weitere Frau, die Simon jedoch nicht kannte. Im ersten Moment hatte er sie für ziemlich alt gehalten, da ihre Haare fast weiß schimmerten, aber als sie sich umdrehte und mit Maryse sprach, erkannte Simon, dass sie nicht älter sein konnte als fünfunddreißig oder vierzig.
Und dann entdeckte er Jace, der etwas abseits stand, als würde er nicht richtig dazugehören. Genau wie die anderen trug auch er die schwarze Schattenjägerkleidung. Wenn Simon sich ganz in Schwarz kleidete, erweckte er jedes Mal den Eindruck, als ginge er zu einer Beerdigung, doch Jace erschien darin nur cool … hart und gefährlich. Und irgendwie noch blonder. Simon spürte, wie sich seine Schultern anspannten, und fragte sich, ob irgendetwas - vielleicht die Zeit oder seine eigene Vergesslichkeit - seine Abneigung gegen Jace jemals würde lindern können. Simon wünschte, er würde anders empfinden, doch da war sie wieder, die Last, die wie ein zentnerschwerer Stein auf sein pulsloses Herz drückte.
Irgendetwas kam Simon an dieser Versammlung merkwürdig vor. Doch
Weitere Kostenlose Bücher