Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
typisch elterlichem Ton. »So was sagt man nicht.«
»Der Rat möchte eine Menge Dinge«, fügte Jace hinzu. »Aber das heißt nicht, dass er sie auch bekommen muss.«
Maryse warf ihm einen Blick zu, als wüsste sie genau, wovon er redete, könnte seine Meinung aber nicht gutheißen. »Der Rat hat meistens recht, Jace. Und es ist keineswegs unangemessen, dass er sich mit Clary unterhalten möchte, nach allem, was sie durchgemacht hat… Sie könnte ihm so vieles berichten.«
»Ich werde dem Rat alles berichten, was er wissen will«, erwiderte Jace.
Maryse seufzte und heftete ihre blauen Augen auf Clary. »Also, wenn ich es richtig verstanden habe, möchtest du nach Idris reisen?«
»Nur für ein paar Tage. Ich werde bestimmt keine Umstände machen«, sagte Clary und schaute flehentlich an Jace’ wütendem Funkeln vorbei zu Maryse. »Das schwöre ich.«
»Die Frage ist nicht, ob du irgendwelche Umstände machen wirst. Sie lautet vielmehr, ob du bereit bist, den Rat aufzusuchen, während du dort bist. Er möchte sich mit dir unterhalten. Wenn du diese Bitte abschlägst, bezweifle ich, dass wir die Genehmigung bekommen, dich mitzunehmen.«
»Nein …«, setzte Jace an.
»Ich werde den Rat aufsuchen«, unterbrach Clary ihn, obwohl allein der Gedanke daran ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Der einzige Gesandte des Rats, den sie bisher kennengelernt hatte, war die Inquisitorin gewesen - und sie hatte sich nicht gerade als besonders angenehme Zeitgenossin erwiesen.
Maryse rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. »Dann wäre das also entschieden.« Doch sie selbst klang alles andere als entschieden, sondern wirkte so angespannt und zerbrechlich wie eine zu straff aufgezogene Geigensaite. »Jace, begleite Clary bitte zur Tür und komm anschließend in die Bibliothek. Ich muss mit dir reden.«
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand ohne Abschiedsgruß wieder in den Schatten. Clary starrte ihr nach und hatte das Gefühl, als hätte man sie gerade mit eiskaltem Wasser übergössen. Alec und Isabelle schienen ihre Mutter aufrichtig zu lieben und Clary war sich sicher, dass Maryse kein schlechter Mensch sein konnte, aber sie wirkte nun mal nicht gerade herzlich.
Jace presste die Lippen zu einer harten, dünnen Linie zusammen. »Jetzt sieh dir an, was du gemacht hast.«
»Ich muss unbedingt nach Idris, auch wenn du das nicht verstehen kannst«, erklärte Clary. »Das bin ich meiner Mutter schuldig.«
»Maryse vertraut dem Rat viel zu sehr«, entgegnete Jace. »Sie will einfach glauben, dass der Rat vollkommen ist, und ich kann ihr nicht sagen, dass er das nicht ist, weil …« Abrupt brach er ab.
»Weil das etwas wäre, was Valentin sagen würde.«
Clary rechnete mit einem wütenden Aufbrausen, doch Jace antwortete nur: »Niemand ist vollkommen.« Dann streckte er den Arm aus und drückte mit dem Zeigefinger ungeduldig auf den Aufzugknopf. »Nicht einmal der Rat.«
Clary verschränkte die Arme vor der Brust. »Ist das wirklich der Grund, warum du mich nicht mitnehmen willst? Weil es für mich dort nicht sicher wäre?«
Ein überraschter Ausdruck breitete sich auf Jace’ Gesicht aus. »Was meinst du damit? Warum sollte ich sonst nicht wollen, dass du mitkommst?«
Clary schluckte. »Weil…« Weil du mir gesagt hast, du würdest für mich nichts mehr empfinden. Aber das Merkwürdige ist, dass ich noch immer etwas für dich empfinde. Und ich wette, das weißt du auch.
»Weil ich nicht will, dass mir meine kleine Schwester auf Schritt und Tritt folgt?« In seiner Stimme klang ein scharfer Unterton mit, eine Mischung aus Spott und irgendetwas anderem.
Im nächsten Moment kam der Aufzug quietschend zum Stehen. Clary stieß die Tür auf, marschierte hinein und drehte sich dann zu Jace um. »Ich möchte nicht nach Idris, weil du dort sein wirst, sondern weil ich meiner Mutter helfen will. Unserer Mutter. Ich muss ihr einfach helfen. Verstehst du das denn nicht? Wenn ich diese Reise nicht unternehme, wird sie vielleicht nie wieder aufwachen. Du könntest wenigstens so tun, als ob dich das ein bisschen interessieren würde.«
Jace legte Clary die Hände auf die Schultern; seine Fingerspitzen streiften die nackte Haut über ihrem Kragen und jagten sinnlose, hilflose Schauer durch ihren Körper. Unwillkürlich schaute sie auf und stellte fest, dass sich tiefe Schatten unter Jace’ Augen abzeichneten und seine Wangen hohl wirkten. Sein schwarzer Pullover - aber auch seine
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