Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Anfang hat auch mein Onkel Patrick dazu gezählt. Aber als ihm bewusst wurde, wie ernst Valentin die Angelegenheit nahm, ist er aus dem Kreis ausgetreten und hat den Posten am Institut in Peking angenommen, um sich Valentins Einfluss zu entziehen. Dort hat er dann Alines Mutter kennengelernt. Als die Lightwoods und die anderen Mitglieder des Kreises wegen Hochverrats vor Gericht standen, haben die Penhallows dafür gestimmt, Gnade walten zu lassen. Dadurch wurden Robert und Maryse nach New York ins Exil geschickt, statt mit einem Fluch belegt zu werden, wofür sie den Penhallows ewig dankbar sind.«
»Und was ist mit deinen Eltern?«, fragte Clary. »Haben sie dem Kreis angehört?«
»Nein. Meine Mutter war jünger als Patrick; als er nach Peking ging, hat er sie nach Paris geschickt, wo sie dann meinen Vater kennengelernt hat.«
»Deine Mutter war jünger als Patrick?«
»Sie ist tot«, sagte Sebastian. »Mein Vater ebenfalls. Ich bin bei meiner Tante Elodie aufgewachsen.«
»Oh«, murmelte Clary und kam sich ziemlich dumm vor. »Das tut mir leid.«
»Ach, ich kann mich kaum noch an sie erinnern«, winkte Sebastian ab. »Als ich kleiner war, hab ich mir immer gewünscht, ich hätte eine ältere Schwester oder einen älteren Bruder…jemanden, der mir erzählen könnte, wie sie als Eltern waren.« Nachdenklich musterte er Clary. »Kann ich dich mal was fragen? Warum bist du überhaupt nach Idris gekommen, wenn du gewusst hast, dass dein Bruder so sauer reagieren würde?«
Ehe Clary darauf antworten konnte, traten sie aus einer schmalen Gasse auf den unbeleuchteten kleinen Platz hinaus, in dessen Mitte ein Brunnen im Mondlicht schimmerte, den Clary wiedererkannte. »Der Zisternenplatz«, sagte Sebastian mit unüberhörbarer Enttäuschung in der Stimme. »Wir sind schneller angekommen, als ich dachte.«
Clary warf einen Blick über die steinerne Kanalbrücke. In der Ferne konnte sie Amatis’ Haus erkennen; sämtliche Fenster waren hell erleuchtet. Clary seufzte. »Von hier aus find ich den Weg allein, danke.«
»Du willst nicht, dass ich dich bis vor die Haustür begleite …?«
»Nein. Es sei denn, du möchtest auch Ärger bekommen.«
»Du glaubst, ich würde Ärger bekommen? Weil ich dich wie ein Gentleman nach Hause gebracht habe?«
»Niemand darf wissen, dass ich in Alicante bin«, erklärte Clary. »Eigentlich sollte es ein Geheimnis bleiben. Und nimm es mir bitte nicht übel, aber du bist ein Fremder.«
»Das würde ich gern ändern«, sagte Sebastian. »Ich möchte dich gern näher kennenlernen.« Er musterte sie mit einer Mischung aus spöttischer Belustigung und einer gewissen Schüchternheit, als wäre er sich nicht sicher, wie Clary seine Worte aufnehmen würde.
»Sebastian«, setzte Clary an, die sich plötzlich unendlich müde fühlte. »Es freut mich, dass du mich näher kennenlernen möchtest. Aber im Augenblick habe ich einfach nicht die Energie dazu. Tut mir leid.«
»So habe ich das nicht gemeint…«
Aber Clary hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und ging auf die Brücke zu. Nach ein paar Metern drehte sie sich noch einmal zu Sebastian um. Im hellen Mondlicht wirkte er seltsam verloren: Sein dunkles Haar war ihm tief ins Gesicht gefallen.
»Ragnor Fell«, sagte Clary.
Sebastian starrte sie verblüfft an. »Wie bitte?«
»Du hast mich doch gefragt, warum ich hierhergekommen bin, obwohl ich eigentlich zu Hause bleiben sollte«, erklärte Clary. »Meine Mutter ist krank. Ernsthaft krank. Möglicherweise wird sie sterben. Das Einzige, was ihr helfen könnte, der einzige Mensch, der ihr helfen könnte, ist ein Hexenmeister namens Ragnor Fell. Das Problem ist nur, ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich ihn finden kann.«
»Clary …«
Doch Clary drehte sich wieder um und ging weiter auf das Haus zu. »Gute Nacht, Sebastian«, rief sie über ihre Schulter hinweg.
Das Erklimmen des Spaliergitters erwies sich als deutlich schwieriger als das Hinabklettern. Clarys Stiefel rutschten an der feuchten Steinmauer mehrmals ab und sie war sehr erleichtert, als sie sich endlich über das Fenstersims hieven konnte und mit einer Mischung aus Sprung und Sturz im Zimmer landete.
Ihre Hochstimmung hielt jedoch nicht lange an: Kaum hatte ihr Fuß den Boden berührt, flackerte eine grelle Lampe auf und der Raum wurde in taghelles Licht getaucht.
Amatis saß auf der Bettkante, mit kerzengeradem Rücken und einem Elbenlichtstein in der Hand, dessen harsches Licht die harten Flächen
Weitere Kostenlose Bücher