Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Ausdruck in seinem Gesicht ließ nichts Gutes ahnen. »Setz dich«, befahl er Jace und zeigte auf den niedrigen Hocker vor dem Dacherker. »Ich hol Verbandszeug.«
Jace ließ sich auf den Hocker sinken. Das Zimmer, das er sich mit Alec unter dem Dach der Penhallows teilte, war ziemlich klein und bot gerade mal Platz für zwei schmale Betten, die jeweils an die Wand geschoben waren. Die Kleidungsstücke der Jungen hingen an Wandhaken und durch das kleine Fenster im Giebel fiel trübes Licht. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und der Himmel auf der anderen Seite der Glasscheibe schimmerte indigoblau.
Jace sah zu, wie Alec sich auf den Boden kniete, die Reisetasche unter dem Bett hervorzog und ungehalten den Reißverschluss aufriss. Geräuschvoll wühlte er im Inhalt der Tasche umher, bis er sich schließlich mit einem kleinen Kästchen in der Hand aufrichtete. Ein Blick darauf verriet Jace, dass es sich um den Verbandskasten handelte, der immer dann zum Einsatz kam, wenn Runen nicht weiterhalfen - er enthielt Verbandmaterial, ein Mittel gegen Wundinfektion, eine Schere und Gaze.
»Willst du keine Heilrune verwenden?«, fragte Jace, eher aus Neugierde.
»Nein. Zur Abwechslung kannst du mal…«Alec verstummte und warf den Verbandskasten mit einem unterdrückten Fluch aufs Bett. Dann ging er zu dem kleinen Waschbecken an der Stirnseite des Zimmers und wusch sich so vehement die Hände, dass das Wasser wie feiner Nebel aufspritzte. Jace beobachtete ihn mit distanzierter Neugier. Seine Hand hatte inzwischen schmerzhaft zu pochen begonnen.
Alec schnappte sich den Kasten, zog einen weiteren Hocker heran und ließ sich Jace gegenüber nieder. »Gib mir mal deine Hand«, kommandierte er.
Jace streckte ihm die Hand entgegen; er musste zugeben, dass sie ziemlich übel aussah: Alle vier Knöchel waren aufgeplatzt wie rote Feuerwerkskörper. Getrocknetes Blut klebte an seinen Fingern und bildete einen schuppigen rotbraunen Handschuh.
Alec verzog das Gesicht. »Du bist ein Idiot.«
»Vielen Dank«, sagte Jace und sah geduldig zu, wie Alec sich mit einer Pinzette über seine Hand beugte und vorsichtig eine Glasscherbe herauszog, die sich in seine Haut gebohrt hatte. »Also, warum nicht?«
»Warum was nicht?«
»Warum verwendest du keine Heilrune? Das ist doch keine Dämonenverletzung.«
»Weil …«, setzte Alec an und nahm die blaue Flasche mit dem Antiseptikum aus dem Kasten, »weil ich glaube, dass es dir guttun würde, wenn du den Schmerz empfinden würdest. Zur Abwechslung kannst du mal wie ein Irdischer heilen - langsam und schmerzhaft. Vielleicht lernst du ja was daraus.« Schwungvoll kippte er die beißende Flüssigkeit über Jace’ Schnittwunden. »Obwohl ich das bezweifle«, fügte er hinzu.
»Ich kann mir jederzeit selbst eine Heilrune auftragen, das ist dir doch wohl klar, oder?«
Alec legte das Ende einer Mullbinde um Jace’ Gelenk und begann damit, die Hand zu umwickeln. »Nur wenn du willst, dass ich den Penhallows erzähle, was wirklich mit ihrem Fenster passiert ist - statt sie im Glauben zu lassen, es wäre ein Unfall gewesen.« Er verknotete das Ende der Binde und zog den Knoten mit einem Ruck fest, sodass Jace vor Schmerz zusammenzuckte. »Wenn ich geahnt hätte, dass du dir so was antun würdest, hätte ich dir niemals von Simon erzählt.«
»Doch, das hättest du.« Jace neigte den Kopf leicht zur Seite. »Mir war nicht bewusst, dass meine Attacke auf das Buntglasfenster dich derart mitnehmen würde.«
»Es ist nur so …«Alec schaute auf Jace’ Hand, die nun ordentlich verbunden war und die er noch immer festhielt. Sie sah aus wie eine weiße Pfote mit kleinen Blutflecken an den Stellen, an denen Alecs Finger sie berührt hatten. »Warum tust du dir so etwas an? Nicht nur die Geschichte mit dem Fenster, sondern auch, wie du mit Clary geredet hast. Wofür bestrafst du dich selbst? Du kannst doch nichts für deine Gefühle.«
Jace’ Stimme klang gleichmütig. »Was hab ich denn für Gefühle?«
»Ich habe gesehen, wie du sie ansiehst.« Alecs Blick war in die Ferne gerichtet, vorbei an Jace’ Kopf. »Aber du kannst sie nicht haben. Vielleicht hast du ja nie zuvor erfahren, wie es ist, etwas zu wollen, was man nicht haben kann.«
Jace schaute Alec ruhig an. »Was läuft eigentlich zwischen dir und Magnus Bane?«
Ruckartig hob Alec den Kopf. »Ich … da ist nichts …«
»Ich bin doch nicht blöd. Nach dem Gespräch mit Malachi hast du direkt Magnus kontaktiert, noch bevor du mit
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