Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
mir oder Isabelle oder sonst jemandem gesprochen hast…«
»Weil er der Einzige ist, der mir meine Frage beantworten konnte - deshalb! Zwischen uns ist nichts«, erwiderte Alec und fügte dann, als er den Ausdruck auf Jace’ Gesicht sah, widerstrebend hinzu: »Nicht mehr. Zwischen uns ist nichts mehr. Okay?«
»Ich hoffe, das ist nicht meinetwegen«, sagte Jace.
Alec wurde kreidebleich und wich zurück, als müsste er sich gegen einen Schlag wappnen. »Was meinst du damit?«
»Ich weiß, was du für mich zu empfinden glaubst«, erklärte Jace. »Aber das fühlst du nicht wirklich. Du magst mich einfach deshalb, weil ich >sicher< bin, unerreichbar. Bei mir besteht kein Risiko. Und dann brauchst du gar nicht erst zu versuchen, eine richtige Beziehung einzugehen, weil du mich ja vorschieben kannst.« Jace wusste, dass er grausam war, aber es interessierte ihn kaum. Es tat fast so gut, die Menschen zu verletzen, die er liebte, wie sich selbst zu verletzen - zumindest wenn er in dieser Stimmung war.
»Ah, ich verstehe«, sagte Alec scharf. »Zuerst Clary, dann deine Hand und jetzt ich. Scher dich zum Teufel, Jace.«
»Du glaubst mir nicht?«, fragte Jace. »Prima. Dann mal los - komm her und küss mich. Hier und jetzt.«
Entsetzt starrte Alec ihn an.
»Siehst du? Denn trotz meines umwerfenden Aussehens magst du mich auf diese Weise dann doch nicht. Und wenn du Magnus in den Wind schießt, dann tust du das nicht meinetwegen. Sondern deswegen, weil du Angst hast, demjenigen, den du wirklich liebst, deine Gefühle einzugestehen. Die Liebe macht die Liebenden zu Lügnern«, erklärte Jace. »Das hat mir die Feenkönigin gesagt. Also verurteile du mich nicht dafür, dass ich meine wahren Gefühle verberge. Das machst du nämlich auch.« Entschlossen erhob er sich von seinem Hocker. »Und jetzt möchte ich, dass du das noch mal machst.«
Alecs Gesicht sah man an, wie verletzt er war. »Was meinst du damit?«
»Ich möchte, dass du für mich lügst«, sagte Jace, nahm seine Jacke vom Wandhaken und streifte sie über. »Die Sonne ist inzwischen untergegangen und die anderen müssten jeden Moment aus der Garnison zurückkehren. Ich möchte, dass du ihnen sagst, ich würde mich nicht wohlfühlen und deshalb nicht zum Essen nach unten kommen. Sag ihnen, mir war schwindlig und ich sei ausgerutscht und das Fenster sei deshalb zerbrochen.«
Alec hob den Kopf und sah Jace fest an. »Also gut«, erwiderte er. »Aber nur, wenn du mir sagst, wohin du wirklich willst.«
»Hinauf zur Garnison«, verkündete Jace. »Ich werde Simon aus dem Gefängnis holen.«
Clarys Mutter hatte die Zeit zwischen der Abenddämmerung und der nächtlichen Dunkelheit immer als »die blaue Stunde« bezeichnet. Das Licht wäre dann besonders intensiv und ungewöhnlich und es sei die beste Zeit zum Malen, hatte sie erklärt. Clary hatte nie richtig verstanden, was sie damit meinte, doch jetzt, auf dem späten Heimweg durch Alicante, erkannte sie es plötzlich.
In New York war die blaue Stunde nicht wirklich blau - Straßenbeleuchtung und Neonreklame ließen sie verblassen. Jocelyn musste an Idris gedacht haben, überlegte Clary. Denn hier legte sich das Licht in blauvioletten Wogen über das goldene Mauerwerk der Stadthäuser und die Elbenlichtlaternen warfen weiße, kreisförmige Lichtkegel auf das Pflaster, die so hell waren, dass Clary fast erwartete, die Wärme der Leuchtquellen auf der Haut zu spüren. Sie wünschte inständig, ihre Mutter wäre hier bei ihr: Jocelyn hätte ihr verschiedene Sehenswürdigkeiten zeigen können, Orte, die sie noch von früher kannte und die einen festen Platz in ihrer Erinnerung besaßen.
Aber sie hat mir nie davon erzählt. Sie hat all diese Dinge bewusst vor mir geheim gehalten. Und jetzt werde ich sie womöglich niemals erfahren. Ein jäher Schmerz, eine Mischung aus Verärgerung und Bedauern, versetzte Clary einen Stich ins Herz.
»Du bist ziemlich still«, sagte Sebastian, während sie eine Brücke überquerten, deren Steinbrüstung mit gemeißelten Runen versehen war.
»Ich frage mich nur, welcher Ärger mich gleich erwartet. Ich musste aus dem Fenster klettern, um aus dem Haus zu kommen, aber wahrscheinlich hat Amatis meine Abwesenheit inzwischen längst bemerkt.«
Sebastian runzelte die Stirn. »Warum hast du dich aus dem Haus schleichen müssen? Durftest du deinen Bruder denn nicht besuchen?«
»Eigentlich dürfte ich überhaupt nicht hier sein«, erläuterte Clary. »Ich sollte in New York
Weitere Kostenlose Bücher