Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Licht aus seinen Augen vertrieben, doch er schwieg und zog lediglich seine Hand weg.
»Jace«, wiederholte Clary. »Warum? Warum jetzt?«
Erstaunt schaute er sie an; die Überraschung sorgte dafür, dass sich seine Lippen einen Spalt öffneten. Clary erkannte eine dunkle Linie an der Stelle, an der er sich auf die Unterlippe gebissen hatte. Oder vielleicht hatte sie ihn ja gebissen. »Warum was jetzt?«, fragte er ratlos.
»Du hast doch gesagt, zwischen uns wäre nichts. Und wenn … wenn wir uns die Gefühle gestatten, die wir gerne für einander empfinden würden, dann würden wir alle Menschen, die wir lieben, verletzen.«
»Ich hab’s dir doch schon gesagt: Das war eine Lüge.« Sein Blick wurde wieder sanfter. »Glaubst du ernsthaft, ich würde dich nicht wollen …?«
»Nein«, erwiderte Clary. »Nein, ich bin ja nicht blöd, ich weiß, dass du es auch willst. Aber als du gesagt hast, dass du endlich verstehst, warum du auf diese Weise für mich empfindest, was hast du damit gemeint?«
Natürlich kannte sie seine Antwort, aber sie musste diese Frage stellen, musste es aus seinem Mund hören.
Jace umfasste ihre Handgelenke, führte ihre Hände zu seinem Gesicht und presste sie auf seine Wangen. »Erinnerst du dich, was ich vor ein paar Tagen zu dir gesagt habe … im Haus der Penhallows?«, fragte er. »Dass du nie nachdenkst, bevor du handelst, und dass du deswegen alles vermasselst, was du anfängst?«
»Nein, das hatte ich vergessen. Aber vielen Dank für die Erinnerung.«
Jace schien den Sarkasmus in Clarys Stimme kaum wahrzunehmen. »Damals habe ich gar nicht von dir geredet, Clary. Ich meinte mich damit. Denn so bin ich nun mal.« Er wandte das Gesicht ab, sodass ihre Finger über seine Wangen glitten. »Wenigstens weiß ich jetzt den Grund dafür. Ich weiß nun, was mit mir nicht stimmt. Und vielleicht… vielleicht ist das ja auch der Grund, warum ich dich so sehr brauche. Denn wenn Valentin mich zu einem Monster gemacht hat, dann hat er dich vermutlich zu einer Art Engel gemacht. Und Luzifer hat Gott geliebt, oder etwa nicht? Das behauptet zumindest Milton.«
Clary sog hörbar die Luft ein. »Ich bin kein Engel! Und du weißt doch gar nicht, ob Valentin Ithuriels Blut tatsächlich dafür verwendet hat. Vielleicht wollte Valentin es ja nur für sich selbst…«
»Er sagte wörtlich: >Das Blut wird mir und den Meinen von größerem Nutzen sein< … >mir und den Meinen<«, erwiderte Jace leise. »Das erklärt auch, warum du diese besonderen Fähigkeiten besitzt, Clary. Die Feenkönigin meinte, wir beide wären Experimente. Nicht nur ich.«
»Aber ich bin kein Engel, Jace«, beharrte Clary. »Ich bringe meine aus der Bücherei geliehenen Bücher nicht zurück. Ich lade mir illegal Musik aus dem Internet herunter. Ich belüge meine Mutter. Ich bin ein ganz gewöhnliches Mädchen.«
»Nicht für mich.« Jace blickte auf sie hinab. Sein Gesicht schwebte vor einem Hintergrund aus funkelnden Sternen. Von seiner üblichen Arroganz war nichts mehr zu erkennen - noch nie hatte Clary ihn so ungeschützt gesehen. Doch selbst in diesen ungeschützten Blick mischte sich ein Selbsthass, der so tief ging wie eine Wunde. »Clary, ich …«
»Geh runter von mir«, sagte Clary.
»Was?« Das Begehren in seinen Augen zersplitterte in tausend Stücke, wie die Scherben des Portals in Renwicks Ruine, und einen kurzen Moment starrte er sie nur vollkommen verblüfft an. Clary brachte es kaum über sich, ihn anzusehen und trotzdem bei ihrem Nein zu bleiben. Der Anblick seines Gesichts … Selbst wenn sie Jace nicht liebte, würde ein Teil von ihr ihn noch immer wollen, der Teil, der sie zur Tochter ihrer Mutter machte, die alle wunderschönen Dinge um ihrer Schönheit willen liebte.
Andererseits war genau das - die Tatsache, dass sie die Tochter ihrer Mutter war - der Grund dafür, dass sie unmöglich nachgeben konnte.
»Du hast gehört, was ich gesagt habe«, erwiderte sie. »Und lass meine Finger in Ruhe.« Sie riss die Hände zurück und ballte sie zu Fäusten, damit sie nicht länger unkontrolliert zitterten.
Jace rührte sich nicht. Dann verzog er den Mund und einen Moment lang sah Clary wieder jenes raubtierhafte Licht in seinen Augen - dieses Mal jedoch vermischt mit Wut. »Ich nehme nicht an, dass du mir den Grund sagen willst, oder?«
»Du glaubst, du würdest mich nur wollen, weil du böse wärst, nicht menschlich. Du suchst nur nach einem weiteren Grund, dich selbst zu hassen. Aber ich werde
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