Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
kurzen Pulloverärmeln hervorragten.
Max.
Der Anblick seines kleinen Stiefbruders traf Jace wie ein Schlag in die Magengrube und er sank auf die Knie. Allerdings bereitete ihm der Kniefall auf das grüne Gras keine Schmerzen — alles besaß die weichen, gepolsterten Kanten der Traumlandschaft. Max sah aus, wie er immer ausgesehen hatte: ein grobknochiger Junge am Übergang vom Kind zum Jugendlichen. Doch nun würde er diesem Alter niemals entwachsen.
»Max«, sagte Jace. »Max, es tut mir so leid.«
»Jace.« Max blieb stehen. Eine leichte Brise war aufgekommen und strich ihm die braunen Haare aus dem Gesicht. Seine Augen hinter den dicken Brillengläsern schauten ernst. »Ich bin nicht meinetwegen hier«, verkündete er. »Ich bin nicht gekommen, um dich zu quälen oder dir ein schlechtes Gewissen zu bereiten.«
Natürlich würde er das nicht, sagte eine Stimme in Jace’ Kopf. Max hat dich immer geliebt. Er hat zu dir aufgeschaut, dich immer so bewundert.
»Die Träume, die dich im Schlaf erreichen, sind Botschaften«, erklärte Max.
»Diese Träume sind die Auswirkungen eines Dämons, Max. Die Brüder der Stille haben gesagt …«
»Sie irren sich«, warf Max rasch ein. »Von ihnen sind nur noch wenige übrig geblieben und ihre Kräfte haben deutlich nachgelassen. Diese Träume wollen dir etwas mitteilen. Du hast sie bisher nur missverstanden. Sie sagen dir nicht, dass du Clary verletzen sollst. Sie warnen dich vielmehr, dass du dies bereits tust.«
Langsam schüttelte Jace den Kopf. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Die Engel haben mich gesandt, um mit dir zu reden, weil ich dich kenne«, sagte Max mit klarer Kinderstimme. »Ich weiß, wie du dich gegenüber den Menschen verhältst, die du liebst, und ich weiß auch, dass du ihnen niemals absichtlich Schaden zufügen würdest. Aber du hast noch nicht alle Auswirkungen von Valentins Einfluss auf deine Seele zerstört. Seine Stimme spricht noch immer zu dir. Du glaubst zwar, du würdest sie nicht hören, doch das stimmt nicht. Die Träume wollen dir etwas mitteilen: Solange du diesen Teil tief in dir drin nicht getötet hast, kannst du nicht mit Clary zusammen sein.«
»Dann werde ich diesen Teil eben töten«, erklärte Jace. »Ich werde alles tun, was nötig ist. Sag mir einfach nur, was ich tun soll.«
Max schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und hielt ihm etwas entgegen: einen silberbeschlagenen Dolch. Stephen Herondales silberbeschlagenen Dolch, der in dem Kästchen gelegen hatte. Jace erkannte ihn sofort wieder. »Nimm diese Waffe«, sagte Max. »Und richte sie gegen dich selbst. Der Teil von dir, der sich hier mit mir in diesem Traum befindet, muss sterben. Der Schattenjäger, der danach aufersteht, wird geläutert sein.«
Jace nahm den Dolch entgegen.
Max lächelte. »Gut. Hier bei mir auf der anderen Seite sorgen sich sehr viele um dich. Auch dein Vater ist hier.«
»Nicht Valentin …«
»Dein richtiger Vater. Er hat mir aufgetragen, dir mitzuteilen, du sollst diese Waffe verwenden. Denn sie wird alles Verdorbene aus deiner Seele schneiden.«
Max lächelte engelsgleich, als Jace den Dolch in der Hand drehte und gegen sich richtete. Doch dann zögerte er im letzten Moment. Diese Vorgehensweise ähnelte zu sehr Valentins Tat, der ihm den Dolch mitten ins Herz gestoßen hatte. Jace nahm die Waffe und machte einen tiefen Schnitt in seinen rechten Unterarm — vom Handgelenk bis zum Ellbogen. Er spürte keinerlei Schmerz. Dann wechselte er den Dolch in die rechte Hand und versah auch seinen linken Unterarm mit einem ähnlichen Schnitt. Blut schoss aus den langen Schnittwunden — hellrotes Blut, das stärker leuchtete als im richtigen Leben, Blut in der Farbe von Rubinen. Es rann über seine Haut und tropfte auf das grüne Gras.
Jace hörte, wie Max leise die angehaltene Luft ausließ. Dann bückte sich der Junge und tauchte die Finger seiner rechten Hand in das Blut. Als er sich wieder aufrichtete, glitzerten die Fingerkuppen scharlachrot. Als Nächstes ging er einen Schritt auf Jace zu und dann noch einen Schritt. Aus dieser Nähe konnte Jace Max’ Gesicht deutlich erkennen: die feinporige Kinderhaut, die durchscheinenden Augenlider, seine Augen … Jace erinnerte sich gar nicht daran, dass Max so dunkle Augen gehabt hatte. Max legte eine Hand auf Jace’ nackte Brust, direkt oberhalb seines Herzens, und begann dann, mit Jace’ Blut ein Muster auf seine Haut zu zeichnen, eine Rune. Allerdings keine, die Jace kannte oder schon
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