Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
höflich zu ihr gewesen und Clary bezweifelte, dass die Königin dieses Verhalten vergessen oder vergeben hatte. Willst du wahrhaftig einen Gefallen der Königin des Lichten Volkes ausschlagen?
»Ich habe gehört, Meliorn hat einen Sitz in der Kongregation erhalten«, setzte Clary nun an. »Das muss Euch sehr gefreut haben.«
»In der Tat.« Die Königin betrachtete sie mit unverhohlener Belustigung. »Ich bin gebührend entzückt.«
»Dann … dann hegen Sie also keinen Groll?«, fragte Clary.
Das Lächeln der Königin gefror um ihre Lippen, so wie Frost zuerst den Rand eines Teichs erstarren lässt. »Ich vermute, du beziehst dich auf mein Angebot, das du so rüde abgelehnt hast«, erwiderte sie. »Wie du ja weißt, habe ich mein Ziel dessen ungeachtet erreicht. Du bist also diejenige, die das Nachsehen hat, wie mir die meisten sicherlich beipflichten würden.«
»Ich habe Euer Angebot nicht gewünscht«, erklärte Clary fest und versuchte dabei, den scharfen Ton in ihrer Stimme zu unterdrücken, was ihr aber nicht gelang. »Die Leute tun nicht immer das, was Ihr von ihnen wollt.«
»Wage es nicht, mir Vorhaltungen zu machen, meine Kleine.« Die Königin schaute zu Jace hinüber, der mit dem Mobiltelefon am Ohr unter den Bäumen auf und ab lief. »Er ist wunderschön«, bemerkte sie. »Ich kann verstehen, warum du ihn liebst. Aber hast du dich je gefragt, was es ist, das ihn zu dir hinzieht?«
Clary schwieg — was hätte sie auch darauf antworten sollen?
»Das Himmlische Blut bindet euch beide«, fuhr die Königin fort. »Die Stimme des Blutes lässt sich nicht ignorieren. Aber Liebe und Blut sind nicht dasselbe.«
»Rätsel, nichts als Rätsel«, schnaubte Clary wütend. »Verbinden Sie mit diesem Gerede eigentlich irgendeine Bedeutung?«
»Er ist an dich gebunden«, näselte die Königin. »Aber liebt er dich auch?«
Clary spürte, wie ihre Hände zuckten. Es juckte sie förmlich in den Fingern, ihre neu erlernten Kampftechniken an der Königin auszuprobieren, doch sie wusste, dass dies nicht sehr ratsam wäre. »Ja, er liebt mich.«
»Und begehrt er dich auch? Denn Liebe und Begehren sind nicht immer dasselbe.«
»Das geht Euch nichts an«, erwiderte Clary kurz angebunden, aber sie konnte sehen, dass die Königin sie aus messerscharfen Augen musterte.
»Du willst ihn mehr, als du jemals etwas in deinem Leben gewollt hast. Aber empfindet er für dich dasselbe?« Die honigsüße Stimme der Königin war unerbittlich. »Er könnte alles oder jede haben, ganz wie es ihm gefällt. Fragst du dich, warum er dich erwählt hat? Fragst du dich, ob er seine Entscheidung bereut? Hat er sich dir gegenüber verändert?«
Clary spürte, wie ihr die aufsteigenden Tränen in den Augen brannten. »Nein, das hat er nicht«, widersprach sie, doch sie erinnerte sich an den Ausdruck auf seinem Gesicht im Aufzug des Instituts und wie er sie nach Hause geschickt hatte, als sie zu bleiben angeboten hatte.
»Du hast mir damals gesagt, dass du keinen Pakt mit mir einzugehen wünschst, denn es gäbe nichts, was ich dir geben könnte. Du sagtest, du hättest alles, was du dir nur wünschen könntest.« Die Augen der Königin glitzerten. »Wenn du dir dein Leben ohne ihn ausmalst, bist du dann noch immer derselben Ansicht?«
Warum tut Ihr mir das an?, hätte Clary am liebsten gebrüllt, doch sie schwieg, weil die Elbenkönigin in diesem Moment an ihr vorbeischaute und dann lächelnd säuselte: »Wisch deine Tränen, denn er kehrt hierher zurück. Und du erweist dir keinen Gefallen, wenn er dich weinen sieht.«
Hastig wischte Clary sich mit dem Handrücken über die Augen und drehte sich um. Jace kam mit gerunzelter Stirn direkt auf sie zu. »Maryse ist auf dem Weg zum Lichten Hof«, verkündete er und fragte dann: »Wohin ist die Königin verschwunden?«
Verwirrt musterte Clary ihn. »Sie steht direkt hinter mir …«, setzte sie an, drehte sich um und verstummte. Jace hatte recht: Die Königin war verschwunden — nur ein Strudel aus wirbelnden Blättern neben Clarys Füßen ließ noch ahnen, wo sie gestanden hatte.
Simon lag auf dem Rücken, seine Jacke als Kissen unter den Kopf gestopft, die Reisetasche zu seinen Füßen, und starrte mit einem Gefühl trostloser Unabwendbarkeit an die löchrige Decke von Erics Garage. Er presste sich das Handy ans Ohr und die Vertrautheit von Clarys Stimme am anderen Ende der Leitung war das Einzige, was ihn noch davon abhielt, vollends zusammenzubrechen.
»Simon, das tut mir so
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