Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
zu sterben.«
»Ich will nicht mit dir kämpfen, Valkrys. Sobald wir hier fertig sind, stehe ich dir zur Verfügung.«
»Was für eine rührselige Ausrede, um sich vor einem Kampf zu drücken«, sagte die Söldnerin und hob ihr Schwert. »Glaubst du, du wärst unentbehrlich?«
»Das sicher nicht.« Humboldt blickte traurig auf seinen Stab, dann zog er an dem Goldknauf. Ein dünnes, messerscharfes Rapier kam zum Vorschein.
»Onkel, nein!« Charlotte, die immer noch an der Reling stand, blickte mit angstgeweiteten Augen zwischen den beiden Kontrahenten hin und her. Auch in Peppers Gesicht war Furcht zu sehen. »Lassen Sie es sein«, sagte er. »Ich habe Valkrys kämpfen sehen. Sie haben keine Chance gegen diese Frau.«
Die Söldnerin lächelte überlegen. »Da hörst du es, Carl Friedrich. Nimm dir mein Angebot zu Herzen und verschwinde. Nur so kannst du dein Leben und das deiner Freunde retten.«
Charlotte wandte sich an Valkrys. »Lassen Sie uns in Ruhe. Sie verstehen ja gar nicht, worum es hier geht. Wir wollen die Menschen vor den schrecklichen Insekten schützen.«
Valkrys lächelte schmal. »Deine Nichte? Eine hübsche junge Dame, wie ich sehe. Du hättest sie nicht mit auf ein solches Abenteuer nehmen dürfen.« Zu Charlotte sagte sie: »Sie unterschätzen Ihren Onkel, wenn Sie glauben, er hätte keine Chance. Er weiß sehr wohl, wie man andere verletzt, nicht wahr, Carl Friedrich?«
»Ich wollte dich nicht verletzen, Val. Mir war etwas dazwischengekommen. Deswegen kam ich zu spät zu unserem Treffen.«
»Und was war mit deinem Schwur? Du hast mir versprochen, wir würden gemeinsam durch die Welt ziehen. Ich hatte mich darauf verlassen, mein Leben an deiner Seite zu verbringen.«
»Val, ich hatte ja keine Ahnung, wie wichtig dir das war.«
»Das ist alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast? Es ist etwas dazwischengekommen? Ich habe dich geliebt.«
»Nein, das hast du nicht. Du warst viel zu sehr mit dir selbst beschäftigt und das bist du immer noch. Ich habe dich damals aus dem Kloster mitgenommen, weil ich gesehen habe, wie sehr es dir geschadet hatte. Aus Mitgefühl.«
»Mitgefühl?« Valkrys spuckte ihm vor die Füße. »Glaubst du, ich bin auf dein Mitgefühl angewiesen? Ich sage dir, was du getan hast: Du hast uns zu Konkurrenten gemacht. Zu Wölfen, die sich um ein Stück Wild streiten. Und jetzt stehen wir hier, Auge in Auge, und keiner will weichen. Für diese Art von Problemen gibt es nur eine Lösung.« Sie zog ihr Schwert. »Los, hoch mit der Klinge!«
Widerwillig hob Humboldt sein Rapier. Man sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, gegen diese Frau anzutreten. Doch Valkrys ließ ihm keine Zeit zum Nachgrübeln. Blitzschnell stieß sie vor. Nur mit Mühe gelang es dem Forscher, den Angriff abzuwehren. Die Klingen schlugen gegeneinander.
Von der ersten Sekunde an war klar, dass dies ein Kampf auf Leben und Tod werden würde. Oskar, der schon vielen sportlichen Wettkämpfen beigewohnt hatte, bemerkte die Besessenheit und Schnelligkeit, mit der hier gekämpft wurde. Humboldts Rapier war dem asiatischen Kampfschwert in puncto Gewicht und Durchschlagskraft hoffnungslos unterlegen. Der Forscher, der sich dessen bewusst war, behielt den schwarzen Holzstab in seiner Linken und benutzte ihn zur Verteidigung. Wieder wehrte er einen gezielten Stich der Söldnerin mit einer klassischen Parade ab, um danach eine ebenso klassische Riposte auszuführen. Der Schlag war gut gezielt und verfehlte Valkrys’ Gesicht nur um Zentimeter. Sie drehte sich um die eigene Achse und ließ ihr Schwert in einer Drehbewegung durch die Luft pfeifen. Die Spitze der Klinge durchtrennte das Schulterleder von Humboldts Mantel und hinterließ einen blutigen Streifen. Der Forscher konterte mit einem Arretstoß, gefolgt von einem Klingenschlag, den die Söldnerin nur unter Aufbietung aller Kraft parieren konnte. Nicht verhindern konnte sie allerdings, dass der Forscher gleichzeitig den schwarzen Holzstab gegen ihr Knie sausen ließ. Es gab ein hartes Krachen, gefolgt von einem unterdrückten Schmerzensschrei. Valkrys rettete sich mit einem Sprung aus der Gefahrenzone, humpelte aber für den Rest des Kampfes. Fluchend zog sie sich zurück, dann begann der Tanz von Neuem.
Oskar glaubte die Kampftechniken der beiden zu durchschauen. Humboldt kämpfte klassisch, streng nach den Regeln und mit der für seine Größe und Stärke zu erwartenden Kraft. Valkrys’ Stil hingegen war von Schnelligkeit und Eleganz geprägt. Sie
Weitere Kostenlose Bücher